ANALYSE. Der Vorwurf ist frivol: Wir haben eher ein Problem mit einem Staat, der bei all jenen, die Geld verdienen, unnötig stark zugreift. Und zwar auch unter der neuen Regierung.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vize Heinz-Christian Strache (FPÖ) wollen ihren Fokus jetzt also auf all jene richten, die sich beim Arbeitsmarktservice „durchschummeln“: Bei ihnen soll es einen Vermögenszugriff geben, wie sie erklärten. Klingt plausibel. Allein: Man sollte sich, um ideologisch gesehen rechts zu bleiben, in der Frage eher an Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) orientieren, die die Devise ausgegeben hat, dass Arbeit sinnstiftend ist; dass im Grunde genommen also (fast) jeder Mensch erwerbstätig sein möchte. Was man durchaus untermauern kann: Die Zahl der Erwerbstätigen steigt; und zwar sowohl in Prozent als auch absolut. Was gerade für die jüngere Vergangenheit bemerkenswert ist, fiel das Wirtschaftswachstum doch bis zuletzt bescheiden aus.
Und das leitet denn auch über zur Arbeitslosigkeit: Sie ist jahrelang gestiegen. Krisenbedingt. Seit die Wachstumsraten aber über zwei Prozent geklettert sind, geht sie stark zurück. Was beweist, dass es verhältnismäßig wenige „Durchschummler“ geben muss. Würde es sich um eine nennenswerte Masse handeln, bliebe die Arbeitslosigkeit unverändert. Wenn überhaupt, kann es sich also nur um ein, zwei Prozent handeln. Und sie sollten ohnehin vom AMS „betreut“, also allenfalls auch sanktioniert werden, wie man erwarten können sollte.
Die Sache zeigt: Den Fokus auf diese Gruppe zu richten, ist ein weiteres Beispiel für Symbolpolitik – zumal die wirklich große Masse der Österreicher nicht nur ignoriert, sondern frei nach dieser Ideologie ungeniert ausgesackelt wird.
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Der Staat lebt zu einem wesentlichen Teil von der Lohnsteuer. Sie macht gut ein Drittel des Steueraufkommens aus. 2010 betrug das Volumen 20,4 Milliarden Euro, 2020 werden es voraussichtlich 30,2 Milliarden Euro sein, wie den Zahlen zu entnehmen ist, die das Finanzministerium führt. Das ist auch dann ein Anstieg, wenn man es in Relation zur Wirtschaftsleistung, also dem BIP stellt. Gründe: Es arbeiten eben immer mehr, die Lohnstumme steigt – und damit auch die Besteuerung.
Wobei ausgerechnet ÖVP und FPÖ auf einen Hebel verzichten, zumindest ein bisschen nachhaltig korrigierend einzugreifen: Laut Regierungsprogramm wird die Kalte Progression vorerst bleiben und gegen Ende der Legislaturperiode nur vielleicht fallen. Sprich: Es kommt weiterhin zu schleichenden Steuererhöhungen, die die wirklich große Masse der Österreicher treffen. Allfällige Entlastungen zwischendurch können daran nichts ändern; sie gehen weg wie Schnee in der Frühjahrssonne.
Ja, man kann sogar noch viel weiter gehen: Von konservativer Seite kommt die nachvollziehbare Kritik, dass die Besteuerung höchster Einkommen so extrem ist, dass „leistungsfeindlich“ noch ein harmloser Ausdruck ist. Wer mit 55 Prozent mehr als die Hälfte bestimmter Einkommensteile verliert, wird sich wirklich eher nach Steuervermeidungsmöglichkeiten umschauen. Was man nicht unterschätzen sollte: Knapp 500 Einkommensmillionäre lieferten 2014 exakt 381 Millionen Euro an Lohn- und Einkommensteuer. Würde man ihnen entsprechende Anreize gewähren, könnte es möglicherweise noch sehr viel mehr sein. Doch das ist kein Thema.
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