ANALYSE. Vor einem Jahr hat der SPÖ-Vorsitzende den „Plan A“ präsentiert. Wirklich brauchbar ist er für die Opposition gegen Schwarz-Blau nicht mehr.
Das Schlimmste, was Schwarz-Bau macht, ist nach Überzeugung der Wiener Sozialdemokraten ganz offensichtlich der „12-Stunden-Tag“: „Mit uns nicht“, lassen sie besorgte Bürger auf Plakaten wissen, die die Stadt derzeit zieren. Wobei man sich wundern muss: Der „12-Stunden-Tag“ war und ist auch Bestandteil von „Plan A“, den SPÖ-Chef Christian Kern vor ziemlich genau einem Jahr vorgelegt hat. Und selbst wenn man nun zu seiner Verteidigung einwenden würde, dass er das vielleicht etwas anders gemeint hat, bleiben zwei Dinge: Auch er ist zunächst weitergegangen, als es Gewerkschaftern lieb war. Und wie ÖVP und FPÖ die Sache genau anlegen werden, ist noch offen.
Was bleibt, ist also ein gewisses Glaubwürdigkeitsproblem für die SPÖ: Sie tut sich aufgrund ihrer eigenen Vergangenheit schwer bei der Regierungskritik. Das unterstreicht wiederum, dass sie noch einen weiten Weg vor sich hat, um irgendwann einmal aus eigener Kraft aus der Opposition herauszukommen; da muss Zeit vergehen und vor allem muss sie selbst ein neues Programm aufsetzen.
Die Sache mit dem „12-Stunden-Tag“ war so: „Bei Gleitzeit sollen zwölf Stunden tägliche Arbeitszeit möglich werden, jedoch nur, wenn als Ausgleich längere zusammenhängende Freizeitblöcke genommen werden“, heiß es im „Plan A“, den Christian Kern am 11. Jänner 2017 in Wels präsentiert hat (Seite 26). Gewerkschaftern gefiel das nicht. Und daher gab es in einer überarbeiteten Fassung zur Nationalratswahl auf Seite 34 auch noch den Zusatz: „Ein genereller 12-Stunden-Tag ist für uns nicht vorstellbar. ArbeitnehmerInnen sollen für jede Überstunde, die geleistet wurde, auch in Zukunft ihre Zuschläge bekommen.“ Erst damit könnte man Schwarz-Blau entgegentreten; bei den ÖVP- und FPÖ-Plänen ist letzteres nämlich gar nicht sicher.
Doch das ist Kleingedrucktes: „12-Stunden-Tag“ ist etwas, was sich auch die Sozialdemokratie vorstellen kann. Unter Umständen zwar; aber die wollen erst erklärt werden. Sofern man noch daran interessiert ist: Pauschale Ablehnung, wie sie die Wiener SPÖ nun plakatiert, zeugt nicht davon.
An der SPÖ bleibt haften, dass sie eine von vornherein fragwürdige Praxis bisher mitgepflegt hat.
Probleme aus der Vergangenheit machen der SPÖ noch öfter zu schaffen: Zum Beispiel bei den Generalsekretären in den Ministerien. Bei ihnen handelt es sich um einen Versuch der politischen Führung, die beamtete Verwaltung besser zu kontrollieren. Auch sozialdemokratische Regierungsmitglieder haben ihre Generalsekretäre gehabt; im Verkehrsressort etwa. Das ist grundsätzlich nicht unbedenklich. Und auch wenn ÖVP und FPÖ nun viel weiter gehen und die Generalsekretäre insbesondere mit einer Weisungsbefugnis ausstatten, bleibt an der SPÖ haften, dass sie eine von vornherein fragwürdige Praxis bisher mitgepflegt hat.
Antieuropäisch zu sein, ist wohl einer der stärksten Vorwürfe gegen die neue Regierung, der sich an der Orientierung hin zu den Visegrad-Staaten ebenso manifestieren soll, wie an der geplanten Kürzung der Familienbeihilfe für Kinder, die in anderen EU-Ländern leben. Strategisch naheliegend wäre als Antwort darauf für eine Oppositionspartei folglich ein klar proeuropäischer Kurs, der sich zu allen Freizügigkeiten bekennt. Im „Plan A“ hat sich Kern jedoch an der Entsendung von immer mehr Arbeitnehmern aus Nachbarländern nach Österreich gestoßen und sich denn auch für Beschränkungen starkgemacht. Was nicht verboten ist – es aber in einem weiteren Punkt ungleich schwieriger macht für die Sozialdemokratie, sich gegen Schwarz-Blau zu positionieren.
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