ANALYSE. Das Wahlergebnis von Wlazny ist ein Warnsignal auch für die SPÖ. Es ist jedoch schwer für sie, darauf zu reagieren. Zu einer möglichen Variante hat der burgenländische Landeshauptmann einst gemeint, dass sie in den Untergang führe.
Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil ist besorgt. Dass Dominik Wlazny bei der Bundespräsidenten-Wahl österreichweit 8,3 Prozent und in Wien sogar 10,7 Prozent erreicht hat, gibt ihm zu denken. Wlazny sei für die Sozialdemokratie ein Faktor meint er, vielleicht ein „größerer als für andere Parteien“.
Grundsätzlich spricht das für Doskozil. Nicht nur Rote, auffallend viele Politikerinnen und Politiker tun so, als habe das Ergebnis des vermeintlichen Scherzboldes keine Bedeutung für sie. Dabei hat sie eine solche natürlich. Und zwar vor allem für die „Ampel-Parteien“ SPÖ, Neos und Grüne. Das kann man drehen und wenden, wie man will. Selbst wenn sich Wlazny nun nicht mehr weiter politisch engagieren sollte auf Bundesebene, bleibt der Hinweis auf ein Potenzial, das für diese Parteien bedrohlich ist; es muss nur einer oder eine daherkommen und es auf ihre Kosten ausnützen.
Grundsätzlich ist das nicht einmal so schwer: Die Neos konzentrieren sich auf eine politische Mitte, die Grünen sind mehr oder weniger gefangen im Regierungsgeschäft. Und die SPÖ will mit dem Ziel, eine relative Mehrheit zu erreichen, niemanden verschrecken. Das geht auf Kosten von Leidenschaft und dergleichen. Da kann einer wie Wlazny umso erfolgreicher sein.
Bemerkenswert ist, dass die SPÖ einem Kurs treu geblieben ist, den sie nach dem Misstrauensvotum gegen den damaligen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Sommer 2019 eingeschlagen hat. Pamela Rendi-Wagner zeigte damals Profil, das sie fortan zurückhielt. Bei der Nationalratswahl im Herbst rächte sich dies: Schaut man sich SORA-Wählerstromanalysen an, fällt auf, dass die Partei eigentlich nur verloren hat an andere Parteien. Vor allem an die wiedererstarkenden Grünen (netto 193.000 Stimmen), aber auch an die ÖVP (60.000) und an die Neos (35.000). Den Freiheitlichen, die damals abstürzten, konnte sie unterm Strich gerade einmal 9000 Stimmen abnehmen.
Bei der Nationalratswahl 2017 war das anders. Und es gibt Leute in der SPÖ, die meinen, Doskozil dränge nun zurück zum damaligen Parteikurs unter Christian Kern. Was auch insofern interessant ist, als er diesem seinerzeit unterstellt hatte, „grün-linke Fundi-Politik“ zu betreiben. Zusatz: „Da schaffen wir uns selbst ab.“
Der Verweis auf den Kern-Kurs ist ein Hinweis darauf, dass die Ausrichtung für die SPÖ wirklich ein Dilemma ist: Bei der 2017er Wahl gab es drei große Wählerströme für die Partei. Sie verlor 141.000 Stimmen an die Freiheitlichen und nahm den implodierenden Grünen etwas mehr, nämlich 159.000 Stimmen ab. Alles in allem gelang es ihr, ihren Stimmenanteil bei deutlich höherer Wahlbeteiligung als 2013 zu halten, weil sie 101.000 Stimmen aus dem „Nicht-Wähler-Lager“ holen konnte. Wie sich dieses zusammensetzt, ob es sich etwa überwiegend um Sozialdemokraten im „Warteraum“ handelte, lässt sich nicht sagen. Faktum ist, dass es gelungen ist, sie für eine Teilnahme an der Wahl zu begeistern. Punkt für Kern.
Eher etwas ausführen lässt sich zu besagtem Dilemma: Wenn die SPÖ nach links rückt oder wenn sie etwa auch den Klimaschutz behandeln würde, könnte sie geschwächten Grünen sehr viele Stimmen abnehmen. Für eine Ampel-Koalition bleibt das jedoch ein Nullsummenspiel.
Verhängnisvoller für die Sozialdemokratie erscheint dies zu sein: Befindet sich die FPÖ im Aufwind (wie bei der Nationalratswahl 2017) und hat sie selbst keine entsprechenden Angebote, verliert sie massiv an diese. Schlimmer: Stürzt die FPÖ ab, kommen relativ wenige Stimmen zurück. Das war nicht nur bei der Nationalratswahl 2019 so, sondern ganz besonders auch bei der Wiener Gemeinderatswahl 2020. Noch unter dem Einfluss der Ibiza-Affäre krachten die Freiheitlichen damals von 30,8 auf 7,1 Prozent herab. Die Türkisen profitierten davon. Kaum aber die Sozialdemokraten. Sie legten nur von 38,6 auf 41,6 Prozent zu.
Auch seither lief es unter unterschiedlichen Umständen nur mäßig für die SPÖ: In Oberösterreich und in Tirol konnte sie ausgehend von einem historisch niedrigen Niveau kaum zulegen. Nur auf Bundesebene liegt sie wirklich gut. Allerdings in Umfragen und bei leicht sinkender Tendenz.