Die Lästigen

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ANALYSE. Nicht nur die Freiheitlichen setzen den ehemaligen Großparteien zu, sondern auch Neos und Grüne. Damit wird es ein Stück schwieriger für die ÖVP, sich auf Türkis-Blau oder Blau-Türkis einzulassen.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger ist ÖVP-Obmann Karl Nehammer lästig gewesen im ORF-Duell zur Nationalratswahl: Sie hat sich Bürgerlichen empfohlen, die der Volkspartei ganz und gar nicht egal sein können. Denen es aber wichtig ist, dass die FPÖ, die ein autoritäres Volkskanzlertum errichten möchte, nicht Teil einer Koalition wird (was Nehammer ausdrücklich offen lässt); und die nach 37 Jahren schwarzer oder türkiser Regierungsverantwortung all die Ankündigungen, von „Leistung soll sich lohnen“ bis „Senkung der Steuer- und Abgabenquote“, nicht mehr hören können – die es Neos umso mehr abnehmen, es diesbezüglich ernst zu meinen.

Karl Nehammer kann das nicht auf die leichte Schulter nehmen: Seine ÖVP ist unter Sebastian Kurz dazu übergegangen, FPÖ-Wähler zu umwerben. Damit geht jedoch das Risiko einher, dass sie Wähler aus der Mitte an Neos verliert, die eher Mitte ist. Sei es in wirtschafts- oder gesellschaftspolitischen Fragen, in europa- oder bildungspolitischen Belangen. Von zuwanderungs- und integrationspolitischen gar nicht zu reden.

Schlimmer für die ÖVP: Auch Grüne sind lästig. Werner Kogler, Freundinnen und Freunde sprechen etwa auch aus bürgerlichen Milieus kommende Studierende und Akademiker:innen in größeren Städten an. Insbesondere durch die Klimapolitik, inklusive der dazugehörigen Verkehrspolitik.

Kein Trost für Nehammer: Neos und Grünen gelingt es immer wieder auch Sozialdemokraten Wählerinen und Wähler abzunehmen. Auch in ihrem Fall tun das über die Jahre nicht nur die Freiheitlichen, sofern sie nicht wieder einmal abstürzen.

Das Ergebnis ist gewissermaßen eine Vierteilung der österreichischen Parteienlandschaft: Zunächst war sie Schwarz und Rot. In den 1980er Jahre kamen zum Leidwesen beider Großparteien die Freiheitlichen auf. Schließlich folgten Grüne und Neos. Insofern könnte man auch von einer Fünfteilung reden. Das geschieht hier jedoch nicht: Grüne und Neos sind unterschiedlich, zusammen jedoch für ÖVP, aber auch SPÖ ähnlich ernstzunehmende Konkurrenten geworden; und die ÖVP kann sie jetzt sowohl im Hinblick auf die Wahl als auch auf die Zeit danach nicht so einfach ignorieren.

Dass die ÖVP zumindest unter Nehammer eher nicht mehr mit den Grünen zusammenarbeiten wird, darf nicht darüber hinwegtäuschen: Ihre Attacken gegen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler dienen einzig dazu, FPÖ-Wähler zu umwerben. Am Tag nach der Wahl wird sich die Volkspartei aber nicht so mir nichts, dir nichts auf eine Koalition mit den Freiheitlichen einlassen können. Wenn, dann wird sie eher eine wochenlange Inszenierung durchführen müssen.

Vor 50 Jahren, in der damaligen Dreiparteienlandschaft, hätte die ÖVP ungleich einfacher einen Deal mit den Freiheitlichen fixieren können. Wie es Bruno Kreisky 1970 für die SPÖ getan hat. Die Gefahr, hier eigene oder potenzielle Wähler zu enttäuschen oder zu verlieren, wäre klein gewesen. Heute muss die ÖVP Grüne und Neos beachten bzw. Bürgerinnen und Bürger, für die diese auch wählbar geworden sind.

Da muss ein Karl Nehammer zumindest glaubwürdig demonstrieren, sich um eine Alternative zu einem Pakt mit den Freiheitlichen zu bemühen. Zeigen, dass er auf ernsthafte Angebote von Beate Meinl-Reisinger und Co. eingeht. Dass er wirklich offen ist. Da muss er am Ende wenigstens eine Bruchstelle finden, die eine Masse davon überzeugt, dass eine Regierungskonstellation ohne FPÖ, aber mit Neos oder Grünen etwa wirklich nicht möglich sei. Das muss er erst eimal zusammenbringen. So billig wie das Johanna Mikl-Leitner in Niederösterreich oder Wilfried Haslauer in Salzburg gespielt haben, wird’s jedenfalls nicht gehen.

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