ANALYSE. ÖVP-Mann Lopatka legt nach und schließt nicht nur eine Koalition mit Kickl, sondern auch mit dessen Partei aus. In Wirklichkeit wird eine solche (quasi) alternativlos gemacht.
„Ich halte es für unmöglich, mit dieser Führerpartei mittlerweile zusammenzuarbeiten.“ Sprach der türkise Spitzenkandidat bei der Europawahl, Reinhold Lopatka, am vergangenen Sonntag in der ORF-Pressestunde. Gemeint war die FPÖ. Auch wenn deren Obmann Herbert Kickl einen Schritt zur Seite machen würde, würde er keine Koalition mit ihr eingehen, so Lopatka: „Die FPÖ ist Kickl.“
Man könnte sagen, es lohne sich nicht, weiter darauf einzugehen: Lopatka spielt weder in der österreichischen Innenpolitik noch in seiner Partei, der ÖVP, eine entscheidende Rolle. Was er für unmöglich hält, ist zwar nicht uninteressant, aber nur begrenzt relevant.
Andererseits: Von Nehammer abwärts schließen Vertreter der Partei eine Zusammenarbeit mit „der Kickl-FPÖ“ aus. Lopatka hat diese Aussage nun ausgeweitet und zu einem Element seiner Wahlkampfstrategie gemacht. Wie bei Nehammer ist das Ziel klar: Wechselbereite Wähler sollen davon abgehalten werden, blau zu wählen. Es geht darum, ihnen einzureden, dass das sinnlos sei, weil die FPÖ isoliert sei.
Was aber ist die Alternative für die Volkspartei? Inhaltlich seien „die roten Linien“ klar, meinte Nehammer jüngst in einem Interview mit der „Kronen Zeitung“: „Mit uns wird es keine Vermögens- und Erbschaftssteuern geben. Es muss das Jugendstrafrecht verschärft werden. Wer mit zwölf Jahren vergewaltigen kann, kann mit zwölf auch die Konsequenzen tragen und ins Gefängnis gehen.“
Das heißt: Deutlicher noch als eine Koalition mit der „Kickl-FPÖ“ schließt Nehammer eine solche mit der SPÖ aus; inklusive wie exklusive Babler. Wiener Sozialdemokraten, die an einer „großen“ Koalition interessiert sind, könnte er eine Vermögens- oder Erbschaftssteuer ausreden, nicht aber eine Haftstrafe für Zwölfjährige einreden.
Die inhaltlichen roten Linien Nehammers sind ausschließlich an die Adresse der SPÖ gerichtet. Mit ihr geht’s nicht. Mit den Freiheitlichen wäre das alles möglich. Inklusive wie exklusive Kickl.
Auch das Ziel dieser Doppelstrategie ist klar. Es ist ein Signal an alle „Nicht-Linken-Wähler“. Auch solche, die nie die Freiheitlichen unterstützen würden, aber für die ÖVP offen sind: Wenn sie keine Erbschaftssteuer und ein verschärftes Jugendstrafrecht wollen, müssen sie türkis wählen.
Diese Taktik sagt an sich wenig darüber aus, was die Volkspartei nach der Wahl macht. Nehammer sagt ja selbst: „Zuerst sind die Wähler am Wort, erst dann kommt der Schritt zu analysieren, welche Mehrheiten gehen sich überhaupt aus und dann kommen die Koalitionsverhandlungen.“
In Wirklichkeit ist das jedoch eine Ausrede: Aus keinem Wahlergebnis kann man eine Koalitionspräferenz herauslesen. Zumal nicht wenige die FPÖ unterstützen dürften, um einfach einem „System“ eine Absage zu erteilen; aber nicht, weil sie Kickl als Kanzler wollen, mit wem auch immer.
De facto macht die ÖVP Blau-Türkis für sich selbst schier alternativlos. Ihre Inhalte, die auch Elemente wie diese rechtskonservative „Leitkultur“ mit Maibäumen und Lederhosen für einen autochthonen Teil der Gesellschaft umfassen, kann sie überwiegend nur mit der FPÖ umsetzen. Genauer: Sie bildet sich seit mehreren Jahren eine Wählerschaft für derlei, die sie vor den Kopf stoßen würde, wenn sie mit Sozialdemokraten, Grünen oder Neos zusammengehen würde.
Das ist ja die Falle, die sich diese Partei vor allem seit Kurz selbst gestellt hat: Sie kommt da nicht raus, so lange sie nicht aufhört, eine gemäßigtere FPÖ sein zu wollen; so lange sie das tut, liefert sie sich letzte Endes immer der radikalen FPÖ aus.
Wenn Lopatka das Sagen hätte, wär’s kaum anders. 2015 forderte er von seinen Parteifreunden in der Steiermark ernsthafte Koalitionsverhandlungen mit den Freiheitlichen. Ebenso wie die Sozialdemokraten hatten diese Freunde bei der damaligen Landtagswahl stark verloren, die Roten von Landeshauptmann Franz Voves waren aber knapp vorne geblieben. Bloß: Den „Steigbügelhalter“ für Voves dürfe man nicht spielen, so Lopatka. Die Rechnung ging auf: Am Ende sah sich Voves gezwungen, der ÖVP bzw. Hermann Schützenhöfer zu weichen, damit Rot-Schwarz bleibt und nicht Schwarz-Blau kommt. Was sagt die Geschichte? Lopatka ist zu 100 Prozent Taktiker. Das sollte man gerade auch jetzt bedenken.