Bezüglich Kickl sichergehen

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ANALYSE. Die Entscheidung des Bundespräsidenten, die Chefs der drei größten Parteien eine Runde drehen zu lassen, ist klug. Es ist wichtig, dass herausgearbeitet wird, woran es wirklich hapert.

Als Bundespräsident Alexander Van der Bellen erklärte, das es „bisher üblich“ gewesen sei, dem Vorsitzenden der stimmenstärksten Partei den Regierungsbildungsauftrag zu erteilen, lag schon in der Luft, dass es diesmal anders sein wird. Es kam dann aber nicht so, wie es vielleicht naheliegend gewesen wäre. Dass sich Van der Bellen mit einem entsprechenden Auftrag nicht an Herbert Kickl (FPÖ), sondern Karl Nehammer (ÖVP), den Obmann der zweitstärksten Partei, wendet.

Das unterließ er. Er wies stattdessen darauf hin, dass niemand mit Kickl wolle. Bzw. dass Nehammer nicht mit ihm persönlich zusammenarbeiten möchte sowie Andreas Babler (SPÖ), Beate Meinl Reisinger (Neos) und Werner Kogler (Grüne) weder mit ihm noch mit der FPÖ. Man müsse aber „sichergehen“, so Van der Bellen: Also lässt er Kickl, Nehammer und Babler in persönlichen Gesprächen bis Ende nächster Woche klären, was Sache ist.

Das ist gut, vor allem aber wichtig: Es ist für viele Menschen klar, warum Kickl nicht in die Nähe des „Volkskanzleramtes“ kommen sollte. Um eine deutliche Mehrheit der Wählerinnen und Wähler handelt es sich dabei jedoch nicht. Umfragen lassen darauf schließen, dass auch Leute, die nicht blau gewählt haben am 29. September, sagen, als Demokrat müsse man akzeptieren, dass seine Partei erste geworden sei. Oder dass man ihn „halt“ einmal machen lassen sollte. Bisherige Regierungsbeteiligungen der FPÖ seien eh bald wieder vorbei gewesen.

Geprägt ist diese Stimmungslage auch, aber nicht nur durch das, was Kickl seit Wochen und Monaten vermittelt. Der vermeintliche Wählerwille, der sich allein auf die Interessen der relativ (!) stärksten Partei konzentriert, ist demnach zur Kenntnis zu nehmen.

Hätte Van der Bellen unter diesen Umständen jetzt Nehammer den Regierungsbildungsauftrag erteilt, die Folgen wären absehbar gewesen: Kickl hätte „Danke“ gesagt und munter weiter kampagnisiert: „Die da oben wollen mich von der Macht fernhalten, weil ich für Euch bin.“

Vor allem die ÖVP, vor allem Karl Nehammer, der einzig mögliche Koalitionspartner von Kickl, muss deutlicher machen, warum das keine Option sein soll. Das ist eine Art Wahlkampf nach dem Wahlkampf. Es geht darum, der eigenen Anhängerschaft, der Kickl vielleicht doch lieber wäre als Babler, überzeugend zu vermitteln, wo das Problem ist. Ähnliches gilt für FPÖ-Wähler: Sie sollen zumindest Argumente hören, die es Kickl weniger einfach machen, mit der schlichten „Sie wollen mich von der Macht fernhalten, weil ich für Euch bin“-Erzählung durchzukommen. Sonst setzt es weitere FPÖ-Erfolge und ebensolche ÖVP-Verluste.

Zu den alarmierenden Erkenntnissen dieses Herbstes zählt, dass einer Masse egal zu sein scheint, dass Kickl als Volkskanzler agieren würde, wie es ihm gefällt; dass er als begnadeter Demagoge und Populist direkte Demokratie missbrauchen würde; dass er Medien, Rechtsstaat und direkte Demokratie beschädigen würde. Auch dass er einen Notstand ausrufen könnte oder Remigration fordert, schadet ihm ganz offensichtlich nicht. Genauso wenig wie seine Russlandfreundlichkeit, die er wie all das Übrige mehrfach zum Ausdruck gebracht hat.

Da gibt es dringenden Handlungsbedarf, der weit über den Herbst 2024 hinausgeht. Im Sinne einer wehrhaften Demokratie gehört das Problembewusstsein geschärft. Zweitens: Nehammer, aber auch Babler müssen sich in der Auseinandersetzung mit Kickl in den nächsten Tagen um das bemühen, was ihnen bisher nicht gelungen ist. Nämlich ein breites Verständnis dafür zu erzeugen, dass Kickl zwar mit Problemen arbeitet, seine Lösungen aber nicht zum Vorteil des vermeintlich kleinen Mannes, der vermeintlich kleinen Frau sind. Und warum es besser für sei für sei, wenn zum Beispiel Türkis-Rot-Pink komme.

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