Ausgerechnet Marterbauer

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ANALYSE. Der linke Finanzminister erteilt einer „Koste es, was es wolle“-Politik, wie sie in den vergangenen Jahren praktiziert worden ist, eine Absage.

Vor fünf Jahren, am 18. März 2020, verkündete der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) eine „Koste es, was es wolle“-Politik. Sie sollte zu einer Selbstverständlichkeit werden. Bis nun am 11. März 2025 Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) erklärte: „‚Koste es, was es wolle‘ kann es in keinem Bereich geben, denn die Mittel sind knapp.“ Ausgerechnet er, ein Sozialdemokrat, ein Linker. Wobei das weniger über ihn als über den Zustand der Mitte aussagt. Dort herrscht die Krise.

Natürlich muss man immer den Kontext beachten. Kurz sprach zu Beginn der Coronapandemie von „Koste es, was es wolle.“ Zu einem Zeitpunkt, als nicht klar war, was alles zusammenbrechen wird. Da hat er versucht, beruhigend zu wirken. Umgekehrt hat Marterbauer nun gemeint, es könne in keinem Bereich ein „Koste es, was es wolle“ geben, als er auf Verteidigungsausgaben angesprochen wurde; bzw. auf die Bemerkung von CDU-Chef Friedrich Merz, dass man im Lichte der Bedrohungen, die von Russland ausgehen, nach dem Prinzip „Whatever it takes“ aufrüsten müsse. Damit versuchte Merz, Entschlossenheit zu signalisieren, die Lücke zu schließen, die die USA aufreißen.

Dennoch bleibt bei Marterbauer, dass es nirgends (mehr) ein „Koste es, was es wolle“ geben könne, dass nicht nur bei Verteidigungsausgaben darauf zu achten sei, Mittel effizient einzusetzen, sondern überall.

Konservativen muss das wehtun. Sie hören Blaue und Schwarze, die immer wieder von einem schlanken Staat reden und sagen, Leistung müsse sich lohnen, aber weit davon entfernt sind, eine Budgetpolitik zu liefern, die dem entspricht. Wer Steuern senken will, wird beispielsweise nicht umhinkommen, auf der anderen Seite eine Pensionsreform durchzuführen. Bundesmittel für Pensionen machen einen erheblichen Teil der Ausgaben aus. Doch nichts davon haben FPÖ und ÖVP im Programm. Also sind sie unglaubwürdig.

Der FPÖ ist das egal. Sie agiert durch und durch populistisch. Aber für die ÖVP ist es schmerzlich: Sie will von ihrem Selbstverständnis her noch immer konservative Politik für eine bürgerliche Mitte machen. Dazu würden Sparpakete mit Einschnitten gehören, wie sie Wolfgang Schüssel einst geschnürt hat, unter dem dann auch ein „Nulldefizit“ zu einer Art Staatsziel erklärt worden ist.

Spätestens mit Sebastian Kurz änderte sich das in den 2010er Jahren. Von einer Pensionsreform wollte er mit Blick auf Wählerstimmen nichts wissen. Er gab vor, Entlastungen durch Förderungskürzungen zu finanzieren, die dann nicht erfolgten. Er kündigte (bei der Zusammenlegung von Sozialversicherungsträgern) eine „Patientenmilliarde“ an, die dann nie zustande kam.

Nachfolger Karl Nehammer täuschte bis zur jüngsten Nationalratswahl über die wahre Budgetlage hinweg und stellte Entlastungen in Aussicht, die sich unter anderem durch ein „vernünftiges Wirtschaftswachstum“ von selbst finanzieren sollten. Sein Finanzminister Magnus Brunner behauptete bis zuletzt, dass kein EU-Defizitverfahren drohe, man also unter drei Prozent Abgang bleiben werde. Als er den Leuten dann nichts mehr vormachen konnte, sprach er – der dafür Verantwortliche – den fast schon legendären Satz: „Wir haben zu viel ausgegeben.“

Genau: Brunner hat als Finanzminister zum Beispiel den Ländern einen großzügigen Finanzausgleich zugestanden und als dieser nicht reichte, den Gemeinden wenige Monate später ein Extrapaket in Milliardengröße gewährt. Geld spielte keine Rolle. Er ist der, der „Koste es, was es wolle“ zur Regel gemacht hat.

Insofern ist es ein Treppenwitz, dass ausgerechnet Marterbauer bricht damit. Ausgerechnet, weil er ein Sozialdemokrat ist und weil gerade ihm als Linkem unterstellt wird, ein hemmungsloser Schuldenmacher zu sein.

Er ist jedoch dabei, das zu widerlegen. Nicht, dass er zum Vertreter eines schlanken Staates mutiert, der gleich auch ein Nulldefizit zum großen Ziel erklärt. Davon ist er weit entfernt. Er scheint jedoch eher als Brunner der zu sein, dem Fiskalregeln nicht vollkommen egal sind; und der insofern über eine größere Glaubwürdigkeit verfügt, als nicht so tut, als wären spürbare Entlastungen für alle möglich, sondern persönlich ganz offen steuerliche Umverteilung fordert, was wenigstens schlüssig ist.

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