ANALYSE. Im Nachhinein ist man immer klüger. Für Österreich wäre es aber wohl besser gewesen, nicht Seehofer und Söder zu stärken, sondern Merkel.
Keine zwei Wochen ist das Treffen der österreichischen Bundes- und der bayerischen Landesregierung in Linz her. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ortete damals laut OÖN eine „völlige Einigkeit mit CSU-Ministerpräsident Markus Söder“: In der Flüchtlingspolitik sollte es demnach um Schutz der EU-Außengrenzen und darum gehen, ein „Weiterwinken bis nach Mitteleuropa“ zu verhindern. Zumal Oberösterreich „die hauptleidtragende Region“ wäre, „wenn es wieder (nationale) Grenzkontrollen gibt“, so Kurz.
Auf die CSU hätte sich der Kanzler jedoch von vornherein nicht verlassen dürfen, wie sich heute mehr denn je herausstellt. Schon die Drohung von Innenminister und Parteichef Horst Seehofer, im Fall des Falles Grenzkontrollen anzuordnen, zeigte, dass das für die Christlich-Soziale Union eine Option ist. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sträubte sich dagegen. So gesehen hätte wohl viel eher sie mehr Unterstützung in ihrem Bemühen um eine wirklich tragfähige europäische Lösung gebraucht. Doch das ist jetzt eine andere Geschichte.
Entscheidend ist, was jetzt ist: Weil Seehofer hart blieb, wird Deutschland ein „Grenzregime“ einführen, also Transitzentren, von denen aus Flüchtlinge zurückgewiesen werden sollen; und zwar nach Österreich, das sich dann um sie kümmern müsste, aber nicht will und daher nun selbst ein Grenzregime gegenüber Slowenien und Italien einrichten möchte.
All das findet vor einem Hintergrund statt, den man im Übrigen nicht vergessen sollte. Siehe Grafik: Die Flüchtlingsströme haben stark nachgelassen. Italien tut unter der neuen Rechtsregierung alles, um niemanden mehr an Land zu lassen. Die Balkanländer zeigen sich kooperativ, die Wanderungsbewegungen zu regulieren. In Deutschland geht die Zahl der Asylanträge tendenziell weiter zurück; im Mai handelt es sich um 12.494. In Österreich waren es 1102. Nicht, dass das keine Herausforderung darstellen würde; sie ist aber ungleich kleiner als 2015 und würde anstelle von Notmaßnahmen wie nationalen Grenzkontrollen eine Zuwendung zu größeren Lösungen ermöglichen – von „Hilfe vor Ort“ bis hin eben zu einem europäischen Ansatz.
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