Auf die Bürger kommt es an

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ANALYSE. In Deutschland gibt es eine zivilgesellschaftliche Massenbewegung gegen Rechtsextremismus. In Österreich wäre eine solche noch dringlicher.

Deutschlandweit hat es am Wochenende Kundgebungen gegen Rechtsextremismus und jegliche Form der Zusammenarbeit mit der AfD gegeben. Allein in München haben sich bis zu 250.000 Menschen versammelt – so viele, dass die Kundgebung wegen Überfüllung vorzeitig beendet werden musste.

Und in Österreich? Gerade hier wäre eine solche Bewegung dringlich. Immerhin klopft Herbert Kickl (FPÖ) bereits an der Tür zum Kanzleramt an. Führt er eine Partei bei der Nationalratswahl auf Platz eins, sind seine Chancen erheblich. Insbesondere etwa, wenn die derzeitige ÖVP-Führungsriege um Karl Nehammer nach einer Niederlage anderen weichen muss, für die im Unterschied zu ihr eine Zusammenarbeit mit Kickl kein Problem darstellt. Beziehungsweise eines, das man für eine Fortsetzung der bereits 37-jährigen Regierungsbeteiligung hinnehmen würde.

Die FPÖ hat sich unter Kickl radikalisiert. Er selbst bringt das durch seinen Anspruch, „Volkskanzler“ zu werden, oder eine Aussage, dass Vertreter anderer Parteien durchwegs „Volksverräter“ seien, zum Ausdruck. Grundrechte sind für ihn genauso wenig in Stein gemeißelt, wie es die EU-Mitgliedschaft Österreichs ist. Genau genommen würde es sich um einen Widerspruch zur „Festung“ handeln, die er für das Land anstrebt. Journalismus, also die vierte Gewalt, ist ihm ein Übel. Eine diverse Gesellschaft sowieso. Von Wissenschaften gar nicht zu reden. Migration würde er stoppen, ja von Fall zu Fall auch eine erworbene Staatsbürgerschaft wieder aberkennen.

Bemerkenswert ist nicht nur, dass Kickl mit alledem die FPÖ auf rund 30 Prozent führen konnte, sondern auch, dass er das alles mehr oder weniger offen aussprechen kann, ohne befürchten zu müssen, Schaden zu nehmen. These: Es liegt daran, dass seine politischen Gegner schwach sind und die Zivilgesellschaft hierzulande im Unterschied zu Deutschland zum Teil aufgegeben hat.

Seit 31 Jahren gibt es in Österreich immer wieder Bewegungen gegen Rechte. Am 23. Jänner 1993 etwa das „Lichtermeer“ gegen das „Anti-Ausländer-Volksbegehren“ der Jörg-Haider-FPÖ mit rund 300.000 Teilnehmern in Wien. Gebracht hat es wenig bis nichts. Auch sozialdemokratische Innenminister setzten Inhalte des Begehrens um, machten, was Haider wollte. Die ÖVP war es schließlich, die mehrere Regierungsbeteiligungen mit der FPÖ einging, zuletzt jene in Niederösterreich. Sie war es im Übrigen, die unter Kurz versuchte, die FPÖ inhaltlich zu kopieren.

Gerade die Koalition in Niederösterreich mit Udo Landbauer als Landeshauptfrau-Stellvertreter lässt zweifeln, dass auf die ÖVP Verlass ist in Bezug auf Kickl. Daher kann es auch keine starke Anti-Kickl-Parteien-Allianz geben. Eine solche ist aber auch aus einem anderen Grund unrealistisch: Die Allianz müsste auch für ein bestimmtes Österreich und eine Vorstellung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stehen. Und diesbezüglich gibt es zwischen den beiden ehemaligen Großparteien, die es über Jahrzehnte hinweg geschafft haben, sich zusammenzuraufen, weniger Übereinstimmung denn je.

Nach deutschem Vorbild wäre daher eine zivilgesellschaftliche Bewegung notwendig, die so groß ist, dass sie zu einer treibenden Kraft werden kann; nicht in dem Sinne, dass sie selbst eine Partei wird oder Regierungsfunktionen anstrebt, sondern in dem Sinne, dass sie Druck für klare Grenzziehungen gegenüber Rechtsextremismus sowie eine bessere Politik mit dem Ziel macht, die Demokratie zu stärken.

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