Auch Kurz hätte die Not

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ANALYSE. Zum Abschluss des Prozesses kommen (wieder einmal) Spekulationen darüber auf, ob Sebastian Kurz wieder in die Politik zurückkehren könnte. Sie sind jedoch mehr denn je überflüssig.

„Plant Sebastian Kurz bei Freispruch Polit-Comeback?“, heißt es im Fellner-Reich. Sagen wir, es sei Teil es Geschäfts. Nüchtern betrachtet ist die Fragestellung überflüssig. Vorerst wird der Prozess abgeschlossen, bei dem es um den Vorwurf der Falschaussage vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss geht; vielleicht wird die eine oder die andere Seite auch in Berufung gehen. Vor allem aber ist noch eine ganz andere Sache offen, die grundsätzlich viel schwerwiegender ist: Wurden über „Österreich“ und für Inserate Umfragen gespielt, die Kurz einst helfen sollten, nach oben zu kommen, was er 2017 dann ja auch geschafft hat? Kurz und Vertraute, die hier belastet werden, weisen es zurück. Ausgang wie gesagt offen.

Insofern stellt sich die Frage nicht, ob für Kurz jetzt dann schon der Weg frei sein könnte, sich um ein Comeback zu bemühen. Zumal es noch größere Hürden gibt: Stand heute müsste er eine eigene Partei dafür gründen. In der ÖVP hat er natürlich noch seine Fans und Vertrauten, aber die entscheidenden Leute haben abgeschlossen mit ihm: die Landeshauptleute.

Nicht einmal das Argument, dass er sie mit vielversprechenden Umfragen noch einmal für sich gewinnen könnte, ist ernst zu nehmen. Bei einer Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut „Unique Research“ zum Jahreswechsel für die Gratiszeitung „Heute“ durchgeführt hat, setzten gerade einmal zehn Prozent auf ihn. Schlimmer für ihn: Keine Spitzenpolitikerin, kein Spitzenpolitiker fällt so vielen Leuten (56 Prozent) negativ auf wie er, der persönlich sicher noch sehr gerne ein Spitzenpolitiker wäre.

Warum? These: Weil er seit seinem Rücktritt unfreiwillig deutlich seine ursprüngliche Erzählung durchkreuzt. Sie lautete, dass er für die Menschen da sei. Jetzt ist er nicht nur einfach allein für sich selbst da, was ja noch erklärbar wäre, weil er sich verteidigen muss. Sein Problem ist das Wie: Diese „Litigation PR“ lässt er in einem Ausmaß betreiben, dass es Leuten, die aufgrund der Teuerung mit Alltäglichem zu kämpfen haben, doppelt wehtun kann; dass es eher sogar der Kickl’schen Erzählung entspricht, dass sie „denen da oben“ mit ihren Sorgen und Nöten vollkommen egal seien.

Verhängnisvoller für Kurz sind freilich länger zurückliegende Dinge, die rechtlich bedeutungslos sind. 2017 und 2019 hat er es geschafft, dass sehr viele Wählerinnen und Wähler unter anderem auch seinem Versprechen glaubten, für Sauberkeit und einen neuen Stil zu stehen. Allein die Chats, die etwa die Aufforderung enthielten, einem lästigen Kirchenvertreter „Vollgas“ zu geben, widerlegten das.

Wesentlicher: Die Impfpflicht ist nach seinem Abgang fixiert worden, er aber hat die Coronapolitik bis dahin zu verantworten. Inklusive Sätzen wie jenem, wonach sich jeder der nicht geimpft ist, früher oder später anstecken werde (was auch so verstanden werden konnte, dass Geimpfte raus sind). Der Punkt ist: Sein damaliger Kurs befeuerte unter anderem Widerstände, die Herbert Kickl aufgriff und die diesen bis heute entscheidend tragen.

Was Kickl außerdem trägt sind Folgen, die mit der Teuerung einhergehen, die so komplex sind, dass ein Populist aus der Opposition heraus lange erfolgreich sein kann im Umgang damit, aber nicht, wenn er in Regierungsverantwortung steht. Wie auch immer er heißt.

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