Alte Männer wie Schüssel und Voves

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ANALYSE. Der ehemalige Bundeskanzler und der einstige Landeshauptmann wollen nicht erkennen, dass gerade auch sie Verantwortung für die politische Krise tragen.

Zu behaupten, Ex-Kanzler und ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel sei schuld daran, dass sein Parteifreund Florian Tursky der große Verlierer der Innsbrucker Gemeinderatswahl ist, wäre übertrieben. Tursky ist eher selbst schuld, einen wie Schüssel als Helfer engagiert zu haben. Der 78-Jährige leistete Bärendienste.

Mag schon sein, dass Schüssel der letzte ÖVP-Politiker war, der inhaltlich etwas wollte. Der Begriffe wie „Sparpaket“ und „Pensionsreform“ prägte. Er steht aber auch für eine Koalition, die große Skandale lieferte. Stichwort Eurofighter, Stichwort BUWOG. In einer ORF-Sendung hat ihn der Jesuit Georg Sporschill im Sommer 2020 darauf angesprochen: „Kann es sein, dass diese Skandale, an denen Österreich heute noch nagt, passieren konnten, weil du selbst wie ein Heiliger gelebt hast?“ Frei übersetzt: Weil er einfach nichts sehen wollte?

Dieser Wolfgang Schüssel, der es 2006 nicht ertrug, dass die ÖVP hinter die SPÖ zurückgefallen war und alles tat, damit die Große Koalition scheiterte, ja dazu beitrug, dass sie nach seiner aktive Zeit zu einer solchen Unbeliebtheit gelangen konnte, dass Sebastian Kurz allein schon mit einer Absage an sie triumphieren und zu viele Österreicher:innen hinters Licht führen konnte, dieser Wolfgang Schüssel trat nun also in Innsbruck auf.

Er empörte sich darüber, dass die Kommunisten wieder gewählt werden; die Kommunisten, die Mao, Stalin und Millionen Tote auf dem Gewissen hätten: Glaubte er im Ernst, so jemanden davon abzuhalten, Leute wie Kay-Michael Dankl zu wählen, die sich von ihrem Wesen und ihrer Arbeit her auch glaubhaft als Vertreter der Katholischen Aktion ausgeben könnten? In Wirklichkeit dürfte Schüssel diesen Leuten geholfen haben: Er mag Wähler zwar animiert haben, genauer hinzuschauen; dabei haben sie aber erst recht erkannt, dass Dankl und Co. gar nicht wie Mao oder Stalin wirken; dass sie es, im Gegenteil, auf ihre Art glaubhaft gut meinen.

Andererseits hat Schüssel etwas gesagt, was den Kurs seines gegenwärtigen Bundesparteichefs konterkariert: Herbert Kickl sei „kein Dämon“, meinte er: „Kein österreichischer Politiker ist ein Dämon. Wir sollten uns einmal befreien von dieser Zuspitzung, dieser Polarisierung, dass die einen die Lichtgestalten und die anderen die Beelzebuben sind.“

Nein, hier geht es nicht darum, dass Schüssel damit genau das Gegenteil davon sagt, was er in Bezug auf die Kommunisten ausspricht. Es geht darum, dass es der Kickl-Dämonisierung von Karl Nehammer zuwiderläuft: Kickl ist demnach ein „Sicherheitsrisiko“, einer, der „Landesverrat“ begangen hat und daher auch einer, mit dem man nicht regieren kann. Oder etwa doch? Was weiß man, wenn man Schüssel hört dazu: Er vermittelt den Eindruck, das extrem Rechte weniger schlimm seien als Linke.

Wenn alte Männer wie er wüssten, was sie anrichten. Der steirische Ex-Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) zählt ebenfall dazu: „Wir haben die schwierigsten Zeiten und die schwächsten Politiker“, dozierte der 71-Jährige in der „Kleinen Zeitung“. Oder: „Wo sind die Politiker, die mit strategischer Kompetenz ausgestattet, mutige Überzeugungen formulieren? Wo sind die guten Erzähler, die in der Lage sind, das Notwendige populär zu machen und die Menschen mitzunehmen?“

Ganz klar: Wir haben verdammt schwierige Zeiten und alles in allem vielleicht nicht die stärksten Politiker. Eine so pauschalierende Aussage ist jedoch gerade aus dem Mund von Franz Voves eine Zumutung: Gerade auch er ist Teil des Problems. Unvergessen ist, wie er „seinen“ Bundesparteivorsitzenden Alfred Gusenbauer einst öffentlich blamierte, indem er diesen demonstrativ warten ließ, als es um eine dringliche Regierungsbildung ging. Das war Politikbschädigung.

Unvergessen ist vor allem aber, dass er 2015 A) ein Wahldebakel zu verantworten hatte (er hatte offenbar nicht können, was ein starker Politiker draufhaben muss: in schwierigen Zeiten überzeugend wirken); dass er B) der hinter der SPÖ platzieren ÖVP den Landeshauptmann überließ; dass er C) hinschmiss und ging; und dass er damit D) Genossinnen und Genossen zurückließ, die ein paar Jahre lang einfach nur neben sich standen: Wie hätten da die stärksten Politiker für die schwierigsten Zeiten aufkommen sollen?

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