40 Prozent mit links?

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ANALYSE. Das Potenzial für die SPÖ könnte groß sein. Vielleicht gerade auch für jemanden wie Andreas Babler. Aber: Auf die Schnelle wäre vor allem sehr viel Glück nötig.

Traditionell gibt es in Österreich eher eine Mehrheit rechts der Mitte und daher auch immer wieder schwarz- oder türkis-blaue Koalitionen. Im vergangenen Jahr waren ÖVP und FPÖ vorübergehend in der Minderheit, kletterte die SPÖ auf 30 Prozent, hätte sich eine rot-pink-grüne Ampel ausgehen können. Wenn gewählt worden wäre.

Das Ganze ist jedoch relativ: Als sich Pamela Rendi-Wagner auf Basis guter Umfragewerte zur Kanzlerkandidatin erklärte, waren diese Werte nicht nur auf sie zurückzuführen. Es hatte schon auch damit zu tun, dass sich die Türkisen nach dem Abgang von Sebastian Kurz noch im freien Fall befanden und sich die Freiheitlichen von der Ibiza-Affäre noch nicht erholt hatten.

Es ist also zu keinem Linksruck gekommen. Es hat sich so ergeben, weil der Zuspruch zu den Rechten und den Rechtspopulisten ungewöhnlich klein war. Und überhaupt: Bei der Zuordnung der Wählerschaft sollte man vorsichtig sein. Wohl nur sehr, sehr wenige sind gefestigte Linke, Rechte, Bürgerlich-Liberale oder was auch immer.

Am Ehesten gibt es in Österreich eine gewisse Neigung zu Autoritärem bzw. einem strengen Vater nach George Lakoff, der sagt, wo’s langgeht und im Falle des Falles auch auf den Tisch haut; der im Unterschied zu einem fürsorglichen Elternteil keinen Wert auf Debatten, Selbstbestimmung und dergleichen legt. Im Übrigen ist ein starker Staat gefragt, der nicht nur Steuern eintreibt, sondern noch mehr Geld verteilt. Beim Verständnis für das Funktionieren von Systemen wie den umlagefinanzierten Pensionen hapert er schon wieder. Doch das ist eine andere Geschichte.

Alles in allem können unter all diesen Umständen natürlich auch Linke erfolgreich sein. Eine Masse ist nicht gefestigt, heute für die einen, morgen für die anderen zu haben. In Kärnten konnte vor diesem Hintergrund das Post-Jörg-Haider‘sche BZÖ 2009 rund 45 Prozent und Peter Kaisers SPÖ keine zehn Jahre später 48 Prozent holen. Das ist irrational.

In einem ZIB2-Interview hat SPÖ-Chef-Kandidat Andreas Babler auf die Frage von Armin Wolf, ob er sich zutraue, die Sozialdemokratie auf 40 Prozent zu führen, erklärt, er sei sich sicher, „dass wir für Überraschungen sorgen können – positiver Art“. Babler ist ein bekennender Linker, manche bezeichnen ihn als Linkspopulisten. In der Kommunalpolitik ist er als Bürgermeister von Traiskirchen schon länger sehr erfolgreich, was dafür spricht, dass er nicht nur redet, sondern auch so viel liefert, dass er immer wieder (klar) wiedergewählt wird.

Wozu er auf Bundesebene in der Lage wäre, kann man heute wohl nicht ernsthaft sagen. Es spricht für ihn, authentisch zu wirken; und leidenschaftlich. Es ist auch bemerkenswert, welch professionelle Kampagne er schon für sich aufgezogen hat. Das pfeift. Abgesehen davon wird er aber noch viele Bewährungsproben zu bestehen haben. Also Vorsicht.

Grundsätzlich geht es hier jedoch um die Frage, ob eine linke SPÖ zu einer Mehrheit kommen und sich in weiterer Folge sogar eine rot-grüne Koalition ausgehen könnte. Undenkbar ist es wie gesagt nicht. Voraussetzung wäre auf die Schnelle, dass sowohl die ÖVP als auch die FPÖ zeitgleich in ein tiefes Lock fallen; wegen sich zuspitzender Korruptionsaffären, Anklageerhebungen oder was auch immer

Im derzeitigen Zustand der FPÖ mit Herbert Kickl und selbst der ÖVP mit dem unbeholfenen Karl Nehammer an der Spitze ist das jedoch schwer bis unvorstellbar. Ihre „Stärke“ sind extrem wirkungsvolle Framings: Sie haben es geschafft, Migration als mit Abstand größtes Problem darzustellen, ja den Eindruck zu vermitteln, dass ihre Zugänge alternativlos seien. Bezeichnend: Die SPÖ hat dem durch ihr Migrationspapier Rechnung getragen. Das war sowohl ein Ein- als auch ein Zugeständnis.

Zweitens: Kickls Erzählung in Zeiten multipler Krisen lautet zudem, dass die Leute durch „die da oben“ hängen gelassen werden. Es geht ihm nicht um Lösungen, er betreibt gefährlichen Populismus. In Niederösterreich und bald wohl auch in Salzburg sieht man, dass das ankommt. Kärnten war kein Gegenbeweis. Dort hat ein anderer Populist zugelegt, sind Freiheitliche groß geblieben, verlor die SPÖ des klugen Peter Kaiser massiv.

These: Die freiheitliche Themenhoheit und ihren Lauf zu durchbrechen, geht nicht von heute auf morgen. So lange kein Durchkommen mit wesentlichen Inhalten wie zum Beispiel Bildung und Chancengerechtigkeit ist, so lange über Migration geredet wird, kann man nur versuchen, neue Zugänge aufzuzeigen. Bis das wirkt, vergeht Zeit. Mehr als bis zur nächsten Nationalratswahl.

Das spricht nicht dagegen, sich um eine andere Politik zu bemühen. Im Gegenteil. Aber: In Wirklichkeit kann einer wie Babler nur hoffen, dass nach der nächsten Wahl eine blau-türkise Koalition kommt. Das würde ihm Zeit geben und die Hoffnung, dass die FPÖ zum x-ten Mal ruckzuck implodiert.

Das Schlimmste für einen wie ihn wäre, dass sich nach einer Wahl nur eine rot-pink-grüne oder eine rot-türkise Koalition ausgeht. Dann kann er einen Gutteil seines Programms kübeln, gibt es keine Reichensteuer, keine 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich etc.

Das ist das bittere Los eines Politikers, der im Wissen um diese Perspektive nicht von vornherein pragmatisch herumeiert und nichtssagende Floskeln von sich gibt.

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