Mehr und mehr Nicht-Wahlberechtigte

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ANALYSE. Wien wächst, aber ausschließlich durch Zuwanderung. Höchste Zeit, Integration neu zu denken. Zumal sehr viele Menschen gar kein Interesse an einer Einbürgerung haben.

Schon bald wird Wien mehr als zwei Millionen EinwohnerInnen haben. Zum 1. Jänner handelte es sich laut Statistik Austria um 1.982.442. Die Entwicklung ist ausschließlich auf Zuwanderung zurückzuführen. Siehe Grafik: Die Bevölkerung mit österreichischer Staatsangehörigkeit ist tendenziell rückläufig.

Das leitet über zu einem Demokratieproblem: Bereits ein Drittel der Männer und Frauen, die in der Stadt leben und die über eine andere als die österreichische Staatsbürgerschaft verfügen, dürfen nicht an Nationalrats- oder Gemeinderatswahlen teilnehmen.

Von der Politik werden die Interessen solcher Menschen eher nicht ausreichend berücksichtigt, wie die Österreichische Akademie der Wissenschaften in einer Studie zum Thema berichtet. Bei einer solchen Masse kann das zu größeren Konflikten führen.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat sich im vergangenen Jahr dafür ausgesprochen, Einbürgerungen zu erleichtern. Hürden wie „Gebühren, Einkommensgrenzen und Aufenthaltsdauer“ sollten demnach reduziert werden. Zu einer größeren Debatte ist es nicht gekommen. Türkise und Freiheitliche sprachen sich dagegen aus: Die Staatsbürgerschaft sei ein hohes Gut, das man sich erarbeiten bzw. verdienen müsse, argumentierten sie.

Der Politologe Anton Pelinka meint, dass es für die SPÖ auch um Gruppen gehen würde, die zu ihren WählerInnen gehören könnten: Menschen, die zum Beispiel eher sozial benachteiligt und armutsgefährdet sind; die es vom Wohn- bis zum Arbeitsmarkt oftmals schwerer haben und daher auf eine entsprechende Politik ansprechen könnten.

Man muss jedoch aufpassen bei derartigen Formulierungen: „Den“ oder „die“ nicht-österreichische Staatsangehörige gibt es weniger denn je. Es fängt bei der Herkunft an. Nennenswerte Zuwanderung erfolgt nicht mehr nur aus wenigen Ländern. Es sind viele geworden.

Ergebnis: Bald die Hälfte der nicht-österreichischen Staatsangehörigen, die in Wien leben, gehören einem anderen EU-, einem EFTA-Land oder dem Vereinigten Königreich an. Ähnlich divers sind längst auch Bildungsstände oder Einkommensverhältnisse.

Zweitens: Die Darstellung, dass sich Zuwanderer wie Bittsteller um eine Einbürgerung bemühen müssen, täuscht darüber hinweg, dass mehr und mehr von ihnen gar kein Interesse daran haben. Vor allem bei den erwähnten Europäern ist das der Fall, wie die erwähnte Studie zeigt. Sprich: Abweisende Politik rächt sich hier.

Bezeichnend: Laut Akademie der Wissenschaften bekundete außer Wien kein angefragtes Bundesland Interesse an der Studie. Botschaft: Man will nicht einmal wissen, was ist. Daher wurde die Studie auch ausschließlich in der Bundeshauptstadt durchgeführt.

Die Akademie würde empfehlen, unter anderem Doppelstaatsbürgerschaften zu ermöglichen, aber auch Vorurteile und Diskriminierungen abzubauen.

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