2016

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ANALYSE. Vor sechs Jahren gab es eine politische Zäsur, wurde ein Grüner Bundespräsident. Heute steht Österreich wieder am Rand großer Veränderungen.

Nicht wenige Leute plagt derzeit ein Albtraum: Alexander Van der Bellen teilt mit, dass er bei der Bundespräsidenten-Wahl im Herbst nicht antreten wird. Natürlich, das wäre eine Überraschung. Damit würde jedoch dies einhergehen: Nicht zuletzt auch ÖVP und SPÖ müssten einen Kandidaten, eine Kandidatin aus dem Hut zaubern. Potenzielle gibt es, es ist aber niemand dabei, der von vornherein – sagen wir – mehr als 20, 25 Prozent Zuspruch in der Wählerschaft erreichen würde. Und überhaupt: Das Land ist polarisiert, Freiheitliche und impfgegnerische MFG-Leute teilen sich eine Seite, haben beträchtliches Potenzial.

Das erinnert an das Jahr 2016. Selbst wenn Alexander Van der Bellen wohl wieder antreten wird, sagt es viel aus über die politische Lage: Damals hatte es eine Flüchtlingskrise gegeben. Sie war für alles weitere bestimmend: Freiheitliche hatten Rückenwind, Norbert Hofer, ihr Mann, wäre beinahe Bundespräsident geworden. Kandidaten der vermeintlichen Großparteien, Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Andreas Khol (ÖVP), gingen im ersten Wahlgang mit jeweils nur gut elf Prozent unter. Das hing auch damit zusammen, dass sie beim bestimmenden Thema lediglich Getriebene waren. Christian Kern versuchte dies schließlich für die SPÖ, Sebastian Kurz für die ÖVP zu ändern. Kurz hatte Erfolg, er übernahm Politik der Freiheitlichen, betrieb sie nur halt wirkungsvoller als diese.

Heute gibt es sogar zwei Themen, die bestimmend sind und bei denen die ÖVP, unter anderem aber auch die SPÖ, obwohl in der Opposition, die Getriebenen sind. Das eine ist die Pandemie im Allgemeinen und die Impfpflicht im Besonderen. Mit letzterer haben sich die Initiatoren erhebliche Probleme eingehandelt. Gerade muss der Plan verworfen werden, eine Lotterie durchzuführen. In Oberösterreich hat eine parteieigene Werbekampagne für die Impfung zwischendurch die Ablöse der SPÖ-Vorsitzenden besiegelt. Im niederösterreichischen Waidhofen an der Ybbs endete die „erste Impfpflicht-Wahl“ (ÖVP-Bürgermeister Werner Krammer) mit einem historischen Absturz der Volkspartei. Auch im Hinblick auf die Gemeinderatswahl in Tirol Ende Februar wird in ihren Reihen Schlimmeres befürchtet. Ein Beben folgt auf das andere.

Das zweite Thema ist Korruption. Zunächst trifft es die ÖVP, die Sebastian Kurz schon verabschieden musste und die noch im Zentrum eines eigenen Untersuchungsausschusses stehen wird. Abgesehen davon wird sie von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft selbst als Beschuldigte geführt. Durch die Sideletter-Affären sind zuletzt außerdem die Grünen in einem ganz anderen Bereich unter Druck geraten, der mit struktureller Korruption zu tun hat. Die SPÖ kann sich wiederum nur ihre eigene Rolle bei Personalentscheidungen in der Vergangenheit vorhalten lassen bzw. kein großes Reformpaket dagegen vorbringen, weil ein solches ja nicht nur an Türkis-Grün auf Bundes-, sondern auch an Rot-Pink auf Wiener Ebene adressiert sein müsste; auch unter sozialdemokratischer Verantwortung würde Handlungsbedarf existieren.

Abgesehen davon: Informationsfreiheit und gläserne Parteikassen sind, selbst wenn beides überhaupt ernst genommen wird, Dinge, die entstandene Schäden (Vertrauensverlust etc.) allenfalls nur begrenzen können. Es handelt sich eher nur um notwendige Konsequenzen bzw. Reaktionen auf Geschehenes. Wahlen gewinnt man damit keine. Der Zeiger wird im besten Fall auf null gesetzt.

Dann würde es erst losgehen, etwa für Karl Nehammer als Kanzler rund ÖVP-Chef: Er müsste sich etwas einfallen lassen, was ihn zum inhaltlich Bestimmenden, um nicht zu sagen Treibenden der österreichischen Politik macht. Genauso wie es beispielsweise auch Pamela Rendi-Wagner für die SPÖ machen müsste, sofern sie sich nicht nur darauf verlassen möchte, dass sie bei der nächsten Wahl Erste wird, weil Türkise weiter verlieren und Blaue nicht zu viel gewinnen. Das wäre hochriskant.

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