ANALYSE. Zugegeben: In der Causa Ibiza kann man derzeit eher nur Unbehagen äußern. Dagegen wird jedoch nichts getan. Ganz im Gegenteil.
Die Nachrichten zur Causa Ibiza (abseits des parlamentarischen Untersuchungsausschusses) kurz und bündig zusammengefasst: Ex-FPÖ-Chef und -Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat möglicherweise Potenzmittel auf Parteikosten bezogen und sein Begleiter, Johann Gudenus, hat möglicherweise gekokst. „Möglicherweise“ steht hier, weil es sich um Dartstellungen handelt, die die beiden zurückweisen und die dieSubstanz.at nicht belegen kann. Aber darum geht es ja ohnehin nicht: Bemerkenswert ist der rote Faden, der sich durch die jüngsten Meldungen zieht: Strache und Gudenus steigen ganz schlecht aus. Sie sind diskreditiert. Wieder einmal erledigt.
Das schafft ein gewisses Unbehagen: Informationen von Anwälten oder Behörden schaffen es nicht zufällig an die Öffentlichkeit. Hier will man gezielt etwas bezwecken. Sich eine gewisse „Message Control“ verschaffen, um ein geflügeltes Wort dafür zu verwenden. Medien sind dabei mehr oder weniger unfreiwillige Erfüllungsgehilfen: Wenn eine Geschichte eine Geschichte ist, ist das Motiv, das die Quelle verfolgt, eher nachrangig.
Früher oder später wird das gesamte Videomaterial veröffentlicht werden. Zumal der U-Ausschuss dahinter ist, wird es wohl eher bald sein. Es fällt schwer, zu bezweifeln, dass Strache und Gudenus gerade deswegen jetzt noch einmal hingerichtet werden. Nachdem sie vor einem Jahr ohnehin schon alles hinschmeißen mussten und eher nur noch von quotengeilen Medien immer wieder ans Licht geholt wurden.
Wem nützt das? Eine Affäre für sich ist das Gegeneinander von Innen- und Justizministerium bzw. Ermittlern in der Sache. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat Justizministerin Alma Zadic (Grüne) nicht gleich darüber informiert, dass seine Leute auf Videomaterial gestoßen sind („das“ Material wäre übertrieben, wie man heute weiß – laut „Kurier“ war es nur ein Teil). Zadic erfuhr das eigenen Angaben zufolge aus dem Medien. Aus den Medien! Wie jede andere Bürgerin, die im Unterschied zu ihr aber keine vergleichbare Verantwortung trägt.
Hätten wir keine Coronakrise, müsste das für sich genommen schon eine ernsthafte Krise sein: Und zwar nicht aus parteipolitischen Gründen, sondern aus ganz grundsätzlichen; hier arbeiten Staatsgewalten in einer hochpolitischen Causa gegeneinander.
Ein deutscher Anwalt hätte dem U-Ausschuss Videomaterial zur Verfügung gestellt. Sagen wir, die Ablehnung durch ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) war korrekt und sauber argumentiert. Abgesehen davon, dass es Türkis bei anderen (durchaus auch weitreichenden) Rechtsfragen nicht so genau nimmt und davor warnt, sie überzuinterpretieren, bleibt ein fahler Beigeschmack: So sehr man sich damit beschäftigt hat, zu begründen, warum man das Material nicht annehmen darf, hätte man sich auch darum bemühen können, eine Lösung zu finden, wie das doch möglich sein könnte.
Das Video (oder die Videos) werden noch für viele Nachrichten sorgen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wusste beispielsweis schon am 18. Mai 2019 mehr, als er spätnachmittags eine erste Erklärung zur Causa abgab und dabei gleich auch die Koalition aufkündigte: „Was über mich in diesem Video gesagt wird, von Beschimpfungen bis hin zu sehr derben Anschuldigungen und Unterstellungen, das ist alles eigentlich nebensächlich. Was aber wirklich schwerwiegend und problematisch ist, das sind die Ideen des Machtmissbrauchs, die Ideen zum Umgang mit österreichischen Steuergeldern, natürlich auch das Verständnis gegenüber der Medienlandschaft in unserem Land.“
Das Problem ist, das bald nicht nur das bekannt werden wird, was wirklich schwerwiegend und problematisch ist. Um Letzteres haben sich die Journalistinnen und Journalisten von „Süddeutscher Zeitung“ und „Spiegel“ ja ohnehin schon nach bestem Wissen und Gewissen bemüht. Es wird alles hochgespült. Andererseits: Der Dammbruch ist bereits erfolgt. Siehe die eingangs erwähnten Potenzpillen- und Koksberichte.
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