Verhängnisvolle Almosenpolitik

ANALYSE. Wer die Mindestsicherung als bloßen Gnadenakt betrachtet, wird sie wohl oder übel kürzen. Dahinter stehen jedoch große System- und Denkfehler.

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ANALYSE. Wer die Mindestsicherung als bloßen Gnadenakt betrachtet, wird sie wohl oder übel kürzen. Dahinter stehen jedoch große System- und Denkfehler.

Alle Bundesländer bis auf Wien haben Kürzungen bei der Mindestsicherung beschlossen. Zuletzt ging Vorarlberg dazu über. Und er könne „nicht einmal sagen, dass das das Ende sein wird“, so Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) in einem ORF-Radio-Interview. Sprich: Weitere Einschnitte könnten folgen. Die Aufwendungen steigen, zumal es immer mehr Asylberechtigte gibt; und sie müssen sich laut Wallner bescheiden: „Es wird nicht am ersten Tag die volle Leistung für alles geben, es ist kein Euro eingezahlt worden“, lässt er diese Beziehergruppe wissen. So ähnlich klang auch Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP), als er vor wenigen Wochen in der ORF-Pressestunde erklärte: „Man muss erst einmal einzahlen, bis man herausnehmen kann.“

Das ist nachvollziehbar, wenn man sich (wie Kurz) auf das Versicherungsprinzip beruft; oder (wie bei der Mindestsicherung) ehr dazu tendiert, dass Sozialhilfe quasi ein Almosen ist. Und dass sie daher so gering wie möglich gehalten werden kann.

Nun hätte die Idee, die der Mindestsicherung zugrunde liegt, eigentlich schon zu einem anderen Zugang führen können. Demnach sollte den Betroffenen vor allem geholfen werden, so schnell wie möglich (wieder) zu einer Arbeit zu kommen. Bei alledem gibt es jedoch ein typisch österreichisches Systemproblem: Um die (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt kümmert sich das AMS; die Länder zahlen nur die Mindestsicherung. Rein theoretisch kann es dem AMS also egal sein, wie erfolgreich es seine Aufgabe erfüllt, während die Länder schon allein aufgrund der Kosten größtes Interesse daran haben müssen, dass es das tut. Praktisch gesehen wäre es folglich die vernünftigste Lösung, die ganze Sache an einer Stelle zu bündeln; doch so etwas ist in Österreich rein machtpolitisch nicht möglich.

Doch zurück zum „Man muss erst einmal einzahlen, bis man herausnehmen kann“-Zugang: Er lässt auf ein Denken schließen, dass besonderes in Bezug auf Zuwanderer ziemlich weit verbreitet ist: Sie sind mehr eine Last als eine Chance. Wer letzteres glaubt, wird daher in böser Absicht zu Gutmenschen und Anhängern einer naiven Willkommenskultur gezählt. Das muss jedoch nicht der Fall sein; und zwar ganz und gar nicht.

Man kann, ja muss Zuwanderer, die einmal da sind, sehr wohl als Chance betrachten.

Man kann, ja muss Zuwanderer, die einmal da sind, sehr wohl als Chance betrachten – und daher ordentlich in sie investieren. Wie es z.B. jeder Staat bei allen Kindern machen sollte, indem er für beste Schulen sorgt. Was ausnahmeweise sogar ein ziemlich guter Vergleich ist: Der Staat gibt in diesem Fall, verlangt aber auch etwas; nämlich, dass Sechs- bis 15-Jährige die Schulbank drücken. Das Ganze geht quasi von einer Win-Win-Situation aus, die von niemandem in Frage gestellt werden kann. Daher sind widrigenfalls, bei Missachtung der Schulpflicht, auch Sanktionen vorgesehen.

Doch wir sind bei der Mindestsicherung und dem Investitionsgedanken: Besonders bei Asylberechtigten wäre es natürlich vom ersten Tag am vernünftigsten, so viel Unterstützung in Form von Geld und anderen Leistungen zu gewähren, dass sie sich in kürzest möglicher Zeit möglichst gut entwickeln – und so nicht dahindarben, sondern am Ende als Leistungsträger so viel wie möglich ins System einzahlen. Nur politischer Konsens ist das eben nicht; im Gegenteil, wie man sieht.

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