KOMMENTAR. In Oberösterreich setzt sich der Umbruch des politischen Systems fort. Landeshauptmann Josef Pühringer ist gescheitert und rücktrittsreif.
Das oberösterreichische Wahlergebnis ist in mehrfacher Hinsicht als dramatisch einzustufen. Da ist erstens der unbestreitbare Erfolg der FPÖ: Falls es noch eines Beweises bedurft hat, dass die Freiheitlichen drauf und dran sind, zur stärksten politischen Kraft zu werden, ist er jetzt geliefert. Sie sammeln Ängste, Unzufriedenheit, Protest ein, ohne wirklich Alternativen anbieten zu müssen. Selbst in der aktuellen Flüchtlingssituation haben sie sich – für ihre Verhältnisse – relativ defensiv verhalten. Die FPÖ muss im Prinzip nichts tun, das macht ihren Aufstieg umso bedenklicher. Er beruht im Wesentlichen auf dem Versagen der anderen.
Dass die Roten im Industrieland Oberösterreich am Boden sind, ist eine wenig neue Erkenntnis und wird nicht einmal vom Bundesparteivorsitzenden wegzureden sein.
Zweitens die SPÖ: Dass die Roten im Industrieland Oberösterreich am Boden sind, ist eine wenig neue Erkenntnis und wird nicht einmal vom Bundesparteivorsitzenden wegzureden sein. Das Oberösterreich-Desaster ist zu einem guten Teil hausgemacht, zeugt in hohem Maße jedoch vom katastrophalen Zustand der Sozialdemokratie insgesamt: inhaltlich, personell, organisatorisch ausgeblutet, keine Visionen, nicht einmal Antworten für den Tag, nur noch auf Machterhalt aus.
Drittens die Grünen: Sie haben in den vergangenen zwölf Jahren in der Landesregierung respektable Arbeit geleistet, stagnieren jedoch als Partei. Sie werden nicht mehr als junge Bewegung, als Erneuerungskraft wahrgenommen, sondern als Teil des Systems. Vermutlich führt der Weg über Regierungsbeteiligungen nicht zum Erfolg, weil der Preis des damit verbundenen Profilverlusts zu hoch ist. Die jeweiligen Partner lassen in ihrem Allmachtsanspruch neben sich keinen Platz. Nicht die Grünen müssen Regierungsfähigkeit beweisen, sondern SPÖ und ÖVP Koalitionsfähigkeit in einem fairen Sinn.
Viertens die Neos: Sie haben es mit einer forschen Spitzenkandidatin und angriffig versucht, sind jedoch gescheitert. Es wird für sie schwer werden, sich in die Breite zu entwickeln, wenn sie nicht einmal in einem heterogenen Bundesland wie Oberösterreich reüssieren können.
Fünftens und vor allem die ÖVP: Der „Wahlverein Pühringer“ ist fulminant gescheitert. Der gesamte schwarze Wahlkampf war auf den Landeshauptmann zugeschnitten, in der Schlussphase ging es dann überhaupt nur noch um Josef Pühringer: Sicherheit, Zukunft, Wohlstand, Zusammenhalt – für alles und noch viel mehr sei er einziger Garant, wurde getrommelt. Doch die Botschaft kam nicht mehr in gewohntem Umfang an. Das im Wahlkampf von der ÖVP vielgepriesene Modell Pühringer hat sich über die Jahre verbraucht, mit ihm eine Art von Politik, die nicht mehr zeitgemäß ist.
So, wie Pühringer zentrale und letztlich einzige Botschaft war, gehört auch das katastrophale ÖVP-Ergebnis zum allergrößten Teil ihm.
So, wie Pühringer zentrale und letztlich einzige Botschaft war, gehört auch das katastrophale ÖVP-Ergebnis zum allergrößten Teil ihm. Der Langzeit-Landeshauptmann ist zweifellos schwer angeschlagen, rücktrittsreif. Umso mehr wird sich seine Partei jetzt erst recht um ihn scharen – die üblichen Reflexe im Schockzustand der Niederlage, gepaart mit Realitätsverlust. Das Argument, ohne Pühringer wäre es noch schlimmer gekommen, mag über den Wahlabend hinweg trösten, kommt jedoch einem totalen Offenbarungseid der ÖVP gleich.
Das alles ist beileibe nicht nur regional einzuordnen, dieses Wahlergebnis hat weit über Oberösterreich und weit über den Tag hinaus Bedeutung. Eine ständig wachsende Zahl von Bürgerinnen und Bürgern traut den etablierten Parteien – sprich: SPÖ und ÖVP – schlichtweg nicht mehr zu, Politik zu machen. Darin liegt die Dramatik von Oberösterreich und die nun folgenden politischen Erschütterungen werden sich nicht auf Linz beschränken.