Mikl-Leitners Fall

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ANALYSE. Viel schwerer als die ÖVP-Krise wiegt für die niederösterreichische Landeshauptfrau die Affäre um den ORF. Jetzt ist auch das Minimalzahl bei der Landtagswahl gefährdet.

Bisher sind die Aussichten auf die niederösterreichische Landtagswahl am 29. Jänner für die ÖVP von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner gar nicht so schlecht gewesen. Natürlich, nach gut 50 Prozent beim Urnengang vor vier Jahren wirkt ein deutlicher Verlust schon länger unausweichlich. Auf ein Minimalziel durfte „Milei“ mit ihren Leuten aber noch hoffen: Das Halten der absoluten Mehrheit in der Landesregierung. Unter Erwin Pröll (ÖVP) war das in Folge der Landtagswahl 1993 selbst mit nur 44,23 Prozent möglich. Wie heute stellte die Volkspartei damals fünf der insgesamt neun Mitglieder der niederösterreichischen Landesregierung.

Das wäre zwar nicht so viel wert wie eine Absolute im Landtag, sollte aber nicht unterschätzt werden. Erstens: In den Ländern sind grundsätzlich Landeshauptleute bestimmend. Zweitens: In der nö. Landesregierung wird mit einfacher Mehrheit entschieden. Drittens: Die Zuständigkeiten dieser Landesregierung (geregelt in § 4 der Geschäftsordnung) sind so umfassend, dass man sich fast schon fragen könnte, was dem Landtag bleibt.

Gut, Mikl-Leitner und der ÖVP würde es nicht erspart bleiben, sich durch Bündnisse um eine Mehrheit im Landtag zu bemühen. Schon allein, damit Budgets zustande kommen. Und vor allem, damit sie zur Landeshauptfrau gewählt wird. Für den Regierungsalltag wäre aber eben auch nur eine Absolute in der Landesregierung komfortabel.

Beziehungsweise komfortabel gewesen: Eine solche ist in den vergangenen Tagen noch weniger wahrscheinlich geworden. Es reicht für die blau-gelbe Volkspartei nicht mehr, so zu tun, als habe sie als „Die Niederösterreichpartei“ mit der Bundes-ÖVP nichts zu tun; oder Leuten im Land das Gefühl zu vermitteln, als könne sie eine Insel der Seligen gewährleisten, auf der Strom ebenso günstig bleibt wie ein Wohnbaudarlehen.

Mikl-Leitner und ihre Leute können sich auch nicht mehr darauf verlassen, wovon sie immer profitiert haben: Dass sie die öffentliche Wahrnehmung der Politik sehr weitgehend kontrollieren bzw. sie in ihrem Sinne beeinflussen konnten. Zwei Dinge haben ihr dabei geholfen: Niederösterreich ist ein weites Land mit allenfalls nur kleinen urbanen Zentren, in denen kaum eine kritische Gegenöffentlichkeit entstehen kann. Vor allem aber ist die Medienlandschaft wohlwollend wie überschaubar.

Ausgerechnet hier ist es jetzt zu einer Störung gekommen: Unter anderem die bürgerliche Tageszeitung „Die Presse“ hat in aller Deutlichkeit thematisiert, wie die ÖVP Niederösterreich „ihren ORF“ dirigiert. Landesdirektor Robert Ziegler, dem vorgeworfen wird, eine Art „Milei PR“ betrieben zu haben, was er zurückweist, lässt sich insbesondere für sensible Wahlkampfthemen vorerst vertreten. Was nichts mehr daran ändert: Beim ORF Niederösterreich wird ab sofort jede Sendeminute unter besonderer Beobachtung stehen: Ist das jetzt Hofberichterstattung oder nicht? Mikl-Leitner, die Ziegler als Landesdirektor mit ausgewählt hat, steht ihrerseits nicht mehr über den Dingen: Sie ist dem Verdacht ausgesetzt, unkritischen, also demokratieunverträglichen Journalismus notwendig zu haben. Da schwingt auch ein Ausdruck von Schwäche, vor allem aber ein Vertrauensverlust mit. Schlimmer für sie: Zumal dieser Umgang mit Medien seit Jahren – und etwa auch schon unter Erwin Pröll – gelebter Praxis entspricht, lässt sich das auf die Schnelle schwer korrigieren.

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