Genug ist genug

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ANALYSE. Wieder ist es in einer Pandemie so weit gekommen, dass unerträgliche Grundrechtseingriffe alternativlos erscheinen. Politische Konsequenzen sind überfällig.

Es fällt zunehmend schwer, gegen einen allgemeinen, harten Lockdown genauso zu argumentieren wie gegen eine Impfpflicht. Und zwar gerade auch dann, wenn man besonderen Wert auf Grund- und Freiheitsrechte legt bzw. eigenverantwortliche, selbstbestimmte Bürgerinnen und Bürger. Ein bisschen ist es aber wie bei einem Haus in Vollbrand: Nachdem man auf Feuerschutzmaßnahmen verzichtet hat, aber ständig zündelt, kann es nicht überraschen, dass das Gebäude irgendwann lichterloh brennt; erscheint ein Löscheinsatz zumindest zum Schutz der Nachbarschaft alternativlos.

Sehr vieles hat in Österreich dazu beigetragen, dass es in der Pandemie wieder einmal so weit kommen konnte; dass zu viele Menschen in den Spitälern liegen und sterben. Ja, auch die Sorglosigkeit von Millionen sind schuld. Andererseits aber ist genau sie durch namhafte Politikerinnen und Politikern angetrieben worden. Durch Behauptungen vom vergangenen Sommer etwa, wonach eine Rückkehr zur Normalität möglich sei; dass sich Junge wieder ins Nachtleben stürzen könnten. Durch die Vernachlässigung einer wirkungsvollen Impfkampagne (bzw. frühzeitiger Empfehlungen von Experten dazu). Und auch durch die Botschaft an Geimpfte, dass die Pandemie für sie vorbei sei.

Sie war fast so verhängnisvoll wie die fehlende Impfkampagne, wie man heute weiß: Auch Geimpfte können sich und andere anstecken; sie selbst mögen nicht schwer erkranken, vielleicht aber die anderen, sofern sie bereits an einer Vorerkrankung leiden oder nicht geimpft sind. Der Impfschutz lässt wiederum schneller nach als erwartet. Der Drittstich ist eine Lösung, der Schaden aber schon groß: Gerade auf Normalstationen liegen viele doppelt Geimpfte, die geglaubt hatten, das Virus könne ihnen nichts mehr anhaben.

Als sich die Lage zuletzt zuspitzte, litt Österreich vor allem unter Politikern, die keine Verantwortung tragen wollten. Aus Angst, sich unpopulär zu machen. Laut SN wollte Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) vor allem nicht derjenige sein, der als erster einen regionalen Lockdown für alle fordern muss. Sprich: Es ging um seine Person, nicht um die Allgemeinheit. Bei seinem oö. Amtskollegen Thomas Stelzer (ÖVP) war es ähnlich. Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) schloss im Sinne seines Chefs Sebastian Kurz (ÖVP) einen solchen Lockdown aus, ließ über Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) herfallen, der zunächst zumindest nächtliche Ausgangsbeschränkungen wollte. Auch hier ging es letztlich nur um persönliche Befindlichkeiten. Die Rechnung zahlen nun alle.

Konkretes Beispiel: Haslauer, der bis gestern gegen einen Lockdown argumentierte, fordert nun einen, der auch Schulschließungen umfasst. Soll heißen: Er hat es so weit kommen lassen, dass er nun meint, ans Äußerste gehen zu müssen. Das ist ein Verbrechen an der Jugend.

Das muss Konsequenzen haben: Es ist bezeichnend für die Realverfassung, dass der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) als Voristzender dieses in der Verfassung nicht enthaltenen Gremiums Schallenerg und Mückstein zur LH-Konferenz geladen hat, um dort einen Lockdown und weitere Maßnahmen zu fixieren. Nicht nur, dass hier ausgerechnet Platter, der in der Pandemie bisher selbst durch Zögerlichkeit aufgefallen ist, den großen Macher gibt; in Wirklichkeit müssten er und Seinesgleichen tun, was ihnen vom Gesundheitsminister angeschafft wird.

Österreich leidet darunter, viele größere und kleinere Regional- und zumindest einen Bundeskaiser zu haben, die mit anderen Politikern zusammen ständig irgendwo in einem Wahlkampf stehen und glauben, sich nicht nur beliebt, sondern auch wichtig machen zu müssen. Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen für eine bestmögliche Krisenbewältigung. Auch vor diesem Hintergrund sollte man sich über nichts wundern.

Lösungsvorschläge sind zahlreich und bekannt: Sie reichen von einer Staatsreform mit Kompetenzbereinigung bis hin zur Schaffung eines Superwahltages. Demnach würde es alle paar Jahre einen Tag geben, an dem mehrere Wahlen zusammengefasst werden. Politiker könnten sich dann mehr auf Wesentliches im Sinne der Allgemeinheit konzentrieren.

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