Mediensterben läuft

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ANALYSE. Eine zentrale Säule der Demokratie wackelt: Die türkis-grüne Regierung schaut zu, wie Redaktionen schrumpfen. Kickl ist’s recht und Babler irritiert. 

Ob Oscar Bronner heute noch ein Magazin wie das „profil“ oder eine Zeitung wie den „Standard“ gründen könnte, ist fraglich. Als er es 1970 bzw. 1988 tat, gab es „ein funktionierendes Geschäftsmodell für Medien und Journalismus“, sagte er jüngst auf einer Veranstaltung. Dieses Geschäftsmodell schwinde zusehends, betonte er schließlich, um deutlicher zu werden: „Wir müssen zu einem neuen Modell der Finanzierung von Medien und Journalismus kommen, sonst gibt es diese zentrale Säule der Demokratie nicht mehr.“

Die Uhr tickt nicht nur, es hat bereits zwölf geschlagen. Medienmeldungen aus Österreich im Jahr 2023: Die Regierung stellt die „Wiener Zeitung“ ein. Mit dem oberösterreichischen „Volksblatt“ der dortigen ÖVP stirbt mit Jahresende die letzte Parteizeitung. Aus dem „Kurier“-Verlag heißt es im Frühjahr, 20 Jobs müssten gestrichen werden, aus dem „Standard“ im Herbst, bis zu 25 Mitarbeiter müssten gehen. Und so weiter und so fort. Selbst bei der einstigen Goldgrube „Krone“ sind die fetten Jahre vorbei. Abo- wie Inseratenerlöse brechen ein. Gerne heißt es aus den Medienhäusern, man setze auf (freiwillige) Abgänge. Demokratiepolitisch besser macht das gar nichts: Redaktionen werden kleiner. Und kleinere Redaktion können weniger Substanzielles liefern. Das ist ziemlich einfach.

Die Regierung schaut zu. Man könnte auch sagen, es laufe ein Sündenfall wie bei der Einstellung der „Wiener Zeitung“. Es brechen Dinge weg, die man nicht mehr reparieren kann. Bei einem drohenden Ernteausfall nach einem Unwetter gibt es fix einen Landwirtschaftsminister, der zu einem Gipfel ruft. Aber hier? Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) scheint’s egal zu sein und die Grünen kommen nicht auf die Idee, dass sie hier nicht nur etwas wiedergutmachen könnten, sondern dass sie, die angeblich so viel Wert auf Demokratie, Transparenz und Sauberkeit legen, verpflichtet wären, zu handeln; all das Erwähnte funktioniert nur mit starken Medien.

Bezeichnend: Die Parteienförderung – auf Bundesebene – wird wie selbstverständlich wertgesichert; die klassische beträgt bereits 34,5 Millionen Euro, die Klubförderung mehr als 25 Millionen. Daneben gibt es noch die Akademienförderung, die sich auf konstant 10,5 Millionen Euro beläuft. In Summe sind das rund 70 Millionen Euro.

Damit lässt sich sehr viel machen. Zum Beispiel eigene Medien, die hier gesichert sind und damit schon einen Vorteil gegenüber unabhängigen Zeitungen bzw. redaktionellen Angeboten haben. Der Parlamentsklub der ÖVP leistet sich „Zur Sache“, der der SPÖ „Kontrast“. Und der freiheitliche gleich ein „FPÖ TV“. Wer braucht da noch Journalismus? Die Frage ist nicht zynisch gemeint: Herbert Kickl will den ORF zum Grundfunk zusammenstutzen und eine Zeitung wie die „Kleine“ seine Anhänger ausdrücklich zerschnipseln lassen, weil sie nur Blödsinn schreibe. Brauchen tut er beide nicht mehr: Letztlich stuergeldfinanzierte Kanäle wie „FPÖ TV“ ermöglichen es, die Leute, die er erreichen möchte, zu erreichen. Das reicht.

Bezeichnend außerdem: Der Finanzminister findet keinen Spielraum, die Förderung für den Presserat, ein Organ der Selbstkontrolle im Sinne von Qualitätsjournalismus bzw. ordentlich informierter Bürgerinnen und Bürger, auch nur ein bisschen wertzusichern. Das muss man sich vorstellen: Es geht nur um ein paar Zehntausend Euro. Derzeit beträgt sie 156.000 Euro. Beschämend: Die Landeshauptleutekonferenz übernahm es vor wenigen Tagen, ihn zu einer Erhöhung aufzufordern.

SPÖ-Chef Andreas Babler nützt die Gelegenheit nicht, hier ein anderes Demokratie- und Medienverständnis zu skizzieren. Auf dem Parteitag empörte er sich vielmehr pauschal über eine Medien-„Kampagne“ gegen sich und seinesgleichen. Das Problem ist hier auf den Punkt gebracht: Es gibt Blätter, die etwas gegen Babler haben und das auch zeigen. Angemessen wäre jedoch erstens, sie präzise zu benennen, zweitens gerade auch von der Stadt Wien gepflegten Inseraten-Wahnsinn, von dem solche Blätter (wie „Heute“) profitieren, abzustellen und drittens ein Zukunftspaket für Medien und Journalismus zu entwickeln. Aber schnell, bevor es zu spät ist.

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