Journalismus ist kein Kriterium

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BERICHT. Zeitungen wie „Österreich“ erhalten auch unabhängig davon öffentliche Inserate, wie oft sie vom Presserat gerügt werden.

„Das vergangene Jahr hat uns allen erneut vor Augen geführt, wie bedeutend die Presse- und Medienfreiheit, sowie die Vielfalt an kritischen und qualitativen Medienunternehmen in Österreich für unsere Demokratie ist“, schreibt Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung. Nicht nur, dass er die Zukunft der „Wiener Zeitung“, um die es darin geht, trotzdem infrage stellt (Betrieb und Finanzierung einer Tageszeitung sei nicht Aufgabe der Republik*). Auch öffentliche Förderungen im weitesten Sinne zielen nicht darauf ab, Journalismus zu stärken.

Der „Presseclub Concordia“ fordert, die Inseratenpolitik zu überdenken. Anlass: „Österreich“-Herausgeber Wolfgang Fellner hat neben der Tageszeitung „Der Standard“ einen Mitarbeiter von ihr geklagt, um eine „freie – und korrekte – Berichterstattung (über ihn) zu verhindern“. Über ihn berichtet hat nun die deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“: „Fellner wehrt sich vehement gegen Belästigungsvorwürfe einer Ex-Kollegin. Recherchen offenbaren ein toxisches Arbeitsumfeld.“ Für den Herausgeber gilt die Unschuldsvermutung.

Herausgeber Wolfgang #Fellner klagt einen Journalisten, um dessen freie – und korrekte – Berichterstattung zu verhindern.

Die Bundesregierung und die @Stadt_Wien sollten beginnen, ihre Inseratenpolitik zu überdenken. https://t.co/QUPHD4YEPA

— Presseclub Concordia (@PCConcordia) April 27, 2021

Wie weit muss Berichterstattung gehen können? Wenn sie korrekt ist, sehr weit. Was wiederum korrekt ist, sagen nicht nur Gesetze und Gerichte, sondern auch der „Ehrenkodex der Österreichischen Presse“ und der Presserat. Der Ehrenkodes beinhaltet Regeln für die tägliche Arbeit, zumal Journalismus Freiheit und Verantwortung bedeute. Beispiele: „Jeder Mensch hat Anspruch auf Wahrung der Würde der Person und auf Persönlichkeitsschutz. Persönliche Diffamierungen, Verunglimpfungen und Verspottungen verstoßen gegen das journalistische Ethos.“ Umgekehrt ist „eine Einflussnahme Außenstehender auf Inhalt oder Form eines redaktionellen Beitrags unzulässig“.

Was dies konkret heißt, entscheidet der Presserat, eine „Selbstregulierungseinrichtung“ österreichischer Medien. Jeder Mann und jede Frau kann sich an ihn wenden. Im vergangenen Jahr befasste sich der Presserat mit 418 Fällen, 36 Mal stellte er einen Verstoß fest – davon allein 17 Mal bei „Österreich, Oe24“ und elf Mal bei der „Kronen Zeitung“ (inklusive dazugehöriger Online-Seiten), zusammen also 28 dieser 36 Fälle. Absoluter Tiefpunkt waren Teile der Berichterstattung über den Terroranschlag in Wien Anfang November.

Wenn man so will, ist der Presserat ein sehr guter Gradmesser für journalistische Qualität. Wobei „Boulevard“ nicht unbedingt mit schlechter Qualität einhergehen muss. Auffallend ist etwa, dass die Zeitung „Heute“ in den vergangenen Jahren durchschnittlich nur drei Rügen durch den Presserat ausfasste, die Krone aber neun bis 18 und Österreich/Oe24 – mit steigender Tendenz – vier bis 17 (siehe Grafik).

Dem Geschäft mit öffentlichen Inseraten tat dies keinen Abbruch. An die „Krone“ gingen laut Website „medien-tansparenz.at“ allein im vergangenen Jahr öffentliche Inserate im Wert von 22,9 Millionen Euro, gefolgt von „Heute“ mit 14,1 Millionen Euro und „Österreich, Oe24“ mit 11,3 Millionen Euro. Wobei allein 1,7 Millionen auf die Stadt Wien und 1,5 Millionen auf das Bundeskanzleramt entfielen.

* Im Staatsdruckereigesetz heißt es dem widersprechend: „Unternehmensgegenstand der Wiener Zeitung GmbH (§ 1 Abs. 4) ist die Herstellung und der Verlag der Wiener Zeitung.“ (§ 2)

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