Gegner geschwächt

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ANALYSE. Die Medienpolitik hat es auf einen Konflikt zwischen Zeitungen und ORF ankommen lassen. Am Ende verlieren alle, vor allem aber Bürger:innen. Das wird gerne in Kauf genommen.

Es gibt Medienmenschen, die schon vor zehn Jahren gemeint haben, dass man mit Journalismus kein Geld mehr verdienen könne. Ehe man jetzt mit Gegenbeispielen daherkommt, sollte man das Problem sehen: Um sich im Großen und Ganzen auf dem Laufenden zu halten, muss niemand mehr bezahlen für Information. Das haut ein herkömmliches Geschäftsmodell zusammen.

Zweitens: Werbegelder sind dort, wo eine Masse ist. Eher also bei Facebook, Google etc. als im Magazin A oder in der Zeitung B. Drittens: Österreich ist klein, die Zahl potenzieller Leser:innen ebenso überschaubar wie der Inseratenmarkt.

Viertens: Umso wichtiger sind innovative Medienunternehmen, die Wege finden, mit Journalismus trotzdem noch Umsätze zu machen. Umso wichtiger ist Fünftens aber auch der Staat. Es ist entscheidend, welche Rolle er Journalismus beimisst und was er dazu beiträgt, damit er sie erfüllen kann.

Demokratiepolitisch ideal wären viele unabhängige Medien mit einem Journalismus, der dafür sorgt, dass die Bürgerinnen und Bürger wissen, was ist. In der Praxis wird das bekämpft. FPÖ-Chef Herbert Kickl lässt seine Anhänger „Lügenpresse!“ skandieren. Klar: Wahr ist von seinem Selbstverständnis her nur, was er sagt. Er ist ja der „Volkskanzler“ in spe. Journalismus ist sein Feind.

Bei der ÖVP muss man ausholen. Grundsätzlich sorgt der Staat dafür, dass es in Österreich öffentlich-rechtlichen Rundfunk und ebensolches Fernsehen geben kann, das bisher zu einem erheblichen Teil gebührenfinanziert ist. Daneben gibt es Zeitungen und Magazine, deren Existenz durch Förderungen gestützt werden soll.

Ursprünglich war die Presseförderung gleich hoch wie die Parteienförderung. Die Parteienförderung ist jedoch längst viel höher. Die Presse wird „dafür“ längst viel mehr anders gefördert. Willkürlich bzw. durch Inserate nämlich.

Erfunden worden ist das in einem nennenswerten Ausmaß von Werner Faymann (SPÖ), und zwar schon in seiner Zeit als Wohnbaustadtrat in Wien. Pervertiert hat es Sebastian Kurz (ÖVP) und fortgesetzt wird es nun unter Karl Nehammer (ÖVP) bzw. Leonere Gewessler (Grüne), deren Ressort die meisten Regierungsinserate vergibt. In Wien kümmert sich Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) darum.

Parallel dazu sorgt der ORF längst nicht mehr nur für Rundfunk und Fernsehen und geben Verlage längst nicht mehr nur Druckwerke heraus. Beide bespielen soziale Medien, betreiben Websites etc. Hier kommt es zu einem natürlichen Konflikt: Die einen tun es mehr oder weniger und bisweilen eben sogar willkürlich gefördert bzw. im Falle des ORF gebührenfinanziert, die anderen müssen es sich eher selbst erwirtschaften.

Das ist eine Erklärung dafür, dass Zeitungsverlage nun gegen das ORF-Gesetz Sturm laufen: Sie sehen sich dadurch existenziell bedroht, dass der ORF durch eine Haushaltsabgabe längerfristig abgesichert werden und auch weiterhin die „blaue Seite“ (ORF.AT) betreiben können soll; damit ist er für sie ein Wettbewerber, der ihnen zu schaffen macht.

Natürlich könnte man an dieser Stelle einwenden, sie sollen doch selbst etwas Besseres liefern. In Wirklichkeit geht es aber um viel mehr: Bei staatlicher Intervention geht es nicht um Journalismus im eingangs erwähnten Sinne. Es geht darum, sich einen ORF zu halten, der durch einen parteipolitisch besetzen Stiftungsrat kontrolliert werden kann. Und es geht darum, durch Inseratenvergaben einen willfährigen Journalismus zu pflegen, der nur so viel leisten kann, wie’s politisch passt.

Nicht auszuschließen ist, dass sich im Kanzleramt gerade jemand auf die Schenkel klopft und freut über den Streit, den Medienvertreter untereinander austragen: „Sollen sie sich gegenseitig den Schädel einhauen. Dadurch schwächen sie sich nur selbst.“

Wobei: Wie dumm muss man so sein, falls man so tickt? Der Wahnsinn ist, dass hier Verhältnisse geschaffen werden, die wie ein gemachtes Bett für einen Mann wie Viktor Orbàn wirken. Also für Herbert Kickl oder einen, der so ähnlich gestrickt ist. Zumindest das könnte zu denken geben. Wenn es dies schon nicht tut: Wenn Medien zerstört werden, erfahren Bürgerinnen und Bürger bald auch nicht mehr, was ist.

Was wäre besser? Erstens: Es gehört außer Streit gestellt, was Medienpolitik soll. Zweitens: Staatliche Interventionen in Form von Förderungen und Inseraten beispielsweise gehören daran angepasst. Selbstverständlich: Es ist schwierig, das alles in allem vernünftig auf die Reihe zu bringen. An klugen Leuten mangelt es jedoch nicht. Es geht allein ums Wollen.

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