Ein Volkskanzlerfunk droht

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ANALYSE. Vor den Nationalratswahlen und einer möglichen Regierung Kickl übt man sich an der Spitze des ORF in Anbiederung und vorauseilendem Gehorsam gegenüber Türkisen wie Blauen.

Berichte der Tageszeitung „Österreich“ zum ORF sind mit Vorsicht zu genießen. Es gibt da ein unausgesprochenes Bündnis mit FPÖ-Chef Herbert Kickl gegen die Haushaltsabgabe, die an die Stelle der bekannten Gebühr tritt. Man ist sozusagen Partei. An jüngsten Berichten über ein geplantes De-facto-X- bzw. -Twitter-Verbot für Redakteurinnen und Redakteure des öffentlichen Rundfunks oder auch einen Aufstand trükiser Stiftungsräte wegen einer „Kulturmontag“-Sendung, die zu Sebastian-Kurz-kritisch gewesen sein soll, ist jedoch was dran. Auch Hans Rauscher hat das im „Standard“ aufgegriffen und unter Berufung auf die Chefetage ausgeführt, dass das in Bezug auf Kurz ebendort ganz offensichtlich geteilt wird und daher – für die Zukunft – an einem „Ausgewogenheitscheck“ gearbeitet wird.

Schaut so aus, als wolle der ORF unter Führung von Generaldirektor Roland Weißmann engagierten Journalismus einerseits und innere Vielfalt andererseits aufgeben. Als hoffe man so, noch regierenden Türkisen und bald vielleicht regierenden Blauen zu gefallen oder wenigstens nicht zu missfallen.

Dazu passt, dass der ORF einen Journalistenkongress in Vorarlberg wieder durch seine Anwesenheit aufwertet: Nach Hans Bürger im vergangenen Jahr wird heuer Eva Karabeg (interimistische Chefredakteurin von ORF 2) vor Ort sein und unter anderem mit dem einschlägig bekannten Servus TV-Mann Ferdinand Wegscheider diskutieren. Es ist eine Veranstaltung der Libertatem Stiftung, die wiederum einen Anteil von etwas mehr als 25 Prozent am ebenfalls einschlägig bekannten „Exxpress“ hält. Hier treffen sich Corona- wie Klima-Relativierer und Kurz-Freunde. Und der ORF signalisiert, dass es ihm wichtig ist, einen guten Draht zu pflegen.

Hans Rauscher beschreibt im „Standard“ treffend, was Ausgewogenheit bedeutet. Es steht auch für Rapportieren. Ungefähr: „Bundeskanzler Karl Nehammer teilte heute mit, dass es wichtig sei, optimistisch zu sein. Österreich stehe im internationalen Vergleich sehr gut da. Die Opposition hat die Aussage des Bundeskanzlers kritisiert. (Pause.) Wir kommen zum Wetter.“

Ausgewogenheit steht für das Gegenteil von Journalismus: Es gibt naiv vor, alle Standpunkte und Meinungen zu berücksichtigen und selbst weder einen Standpunkt noch eine Meinung zu haben. Genau damit macht er sich jedoch in Zeiten, in denen Politik mehr denn je inszeniert, Stimmung macht und hemmungslos agiert, zum nützlichen Idioten einer solchen.

Aber das ist offenbar das Ziel: Die ÖVP-Stiftungsräte werden sich im Beisein von Gerald Fleischmann schon etwas gedacht haben, als sie sich auf Roland Weißmann als Generaldirektor festgelegt haben. Der Mann ist jetzt an einem Punkt, an dem er beweisen muss, wie sehr er liefert; oder eben nicht. Er offenbart sich damit gegenüber der Volkspartei einer- und Millionen Bürgerinnen und Bürgern andererseits.

Zu glauben, nicht twitternde Journalistinnen und Journalisten, die einfach nur berichten, was ein Bundeskanzler oder sein Schattenkanzler mitzueilen hat; oder die zu Diskussionssendungen je einen Regierungs- und einen Oppositionsvertreter sowie einen eher linken und einen eher rechten Experten einladen, würden insbesondere einen Herbert Kickl wohlwollend stimmen, ist jedoch naiv. Oder sagen wir es gleich: Es ist dumm.

Der sogenannte „Volkskanzler“ ist von seinem Selbstverständnis her der einzig wahre. Er gibt ja vor, im Sinne aller zu agieren und meint damit, dass es nur ausschließliche wie bedingungslose Zustimmung zu ihm geben kann. Ein ORF dürfte da verlautbaren; und vergessen, was Grüne oder Pinke etwa oder Experten zu sagen haben, die dem Volkskanzler nicht beipflichten.

Insofern ist das, was hier gerade läuft, extrem brisant: Es ist Anbiederung und vorauseilender Gehorsam. Es ist letzten Endes auch eine Kampfansage an die vielen Redakteure, die nicht rapportieren, sondern ihren Job ernst nehmen; wie Armin Wolf oder Martin Thür, um nur zwei zu nennen.

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