ANALYSE. Der Burgenländer ist vor den Verfassungsgerichtshof gezogen, um parteipolitische Einflussnahme auf den ORF zu durchkreuzen. Es lässt tief blicken, dass das auch in seiner eigenen Partei kaum gewürdigt wird.
Natürlich könnte man es sich jetzt einfach machen und sagen, Hans Peter Doskozil habe leicht reden. Wie bei der Inseratenkorruption, gegen die er sich auf dem SPÖ-Parteitag Anfang Juni gestellt hat: In seinem Einflussbereich werden ohnehin kaum Inserate vergeben. Es gibt ja nicht einmal eine Tageszeitung im Burgendland. Ähnlich könnte man es nun in Bezug auf den ORF darstellen: Doskozil bzw. seine Landesregierung ist vor den Verfassungsgerichtshof gezogen, um gegen parteipolitische Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Stiftungsrates und damit auch Direktorenbestellungen vorzugehen. Eine solche brauche der Burgenländer nicht, könnte man einwenden, neben einer absolut regierenden SPÖ gebe es in seinem Land ohnehin keine wahrnehmbare Opposition, geschweige denn eine größere kritisch-distanzierte Medienöffentlichkeit, die ihm lästig werden könnte.
„Na und?“ gehört dem entgegengesetzt: Ist Inseratenkorruption bzw. die österreichische Gepflogenheit gut, dass Regierende meinen, Medienförderung durch die willkürliche Vergabe von Werbung in unbegrenzter Höhe auf Kosten der Steuerzahler betreiben zu dürfen? Nein. Genauso ist die Art und Weise indiskutabel, wie ORF-Stiftungsräte bestellt werden.
Es ist bemerkenswert, wie Doskozil dagegen vorgeht. Nicht polemisch in Form einer Presseaussendung, sondern ausführlich begründet in einem 44 Seiten umfassenden Antrag an den Verfassungsgerichtshof (VfGH), eine Gesetzesprüfung durchzuführen. Kommenden Dienstag wird nun eine öffentliche Verhandlung dazu stattfinden. Im besten Fall wird letzten Endes eine Gesetzesreparatur nötig werden.
Insider sagen, der Antrag, der vom Juristen und ehemaligen ORF-Kontrollor Florian Philapitsch erstellt worden ist, sei ernst zu nehmen. Es könnte also sein, dass er wirklich erfolgreich sein wird. Im Wesentlichen heißt es darin: Unabhängigkeit der Mitarbeiter und Organe des ORF seien durch das bestehende ORF-Gesetz nicht sichergestellt; ebenso wenig wie das Gebot, dass der ORF nicht von einer bestimmten Gruppe (insbesondere der Regierung) dominiert werden darf. Damit werde gegen das Bundesverfassungsgesetz Rundfunk sowie die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen.
Begründung: Erstens werde der überwiegende Teil der Stiftungs- und Publikumsräte von der Regierung bzw. vom Bundeskanzler bestellt. Zweitens gebe es keine Regelung, die Unabhängigkeit und die Qualifikation der Mitglieder dieser Gremien sicherstellen. Drittens gebe es für diese Bestellungen weder ein öffentliches Auswahl- oder Besetzungsverfahren noch eine Möglichkeit, sie einer unabhängigen gerichtlichen oder behördlichen Kontrolle zu unterziehen. All dies führe dazu, „dass die Bestellung der genannten Organe des ORF von Parteipolitik dominiert wird (…).“
Wie’s läuft, bekommt eine interessierte Öffentlichkeit immer wieder mit. Zum Beispiel durch Freundeskreise wie dem türkisen, der sich im Beisein des damaligen Kanzlervertrauten Gerald Fleischmann vor zwei Jahren mit Roland Weißmann traf und diesen schließlich als Generaldirektor durchsetzte. Oder durch die „Sideletter“-Vereinbarung, in der Türkise den Vorsitz über den Stiftungsrat den Grünen überließen. Ergebnis: Ex-Alexander Van der Bellen-Sprecher Lothar Lockl bekleidet die Funktion. Man bemüht sich also nicht einmal, auch nur irgendeinen Anschein zu wahren.
Umgekehrt aber kann man sich wundern, dass in der Sozialdemokratie außer Doskozil niemand ein Problem mit alledem zu haben scheint. Das hat wohl nicht nur damit zu tun, dass erhebliche Teile ablehnen, was von ihm kommt, weil es von ihm kommt. Es geht wohl auch darum, dass man eher nur leidet, wenn man von den realpolitischen Verhältnissen nicht profitieren kann bzw. dabei ist, wenn man es tun kann. Von Tirol bis Wien, wo man zumindest in der Landesregierung vertreten ist.
Doskozil tickt hier – bei allen sonstigen Unterschieden – ähnlich wie SPÖ-Chef Andreas Babler: Auch dieser sagt wesentlichen Elementen herkömmlicher Machtpolitik den Kampf an. Auch er ist schon gegen Inseratenkorruption aufgetreten. Außerdem möchte Babler andererseits die Parteibasis über Vorsitzende und allfällige Regierungsbeteiligungen entscheiden lassen, tut sich jedoch schwer, damit durchzukommen. Insbesondere Genossinnen und Genossen aus Wien wollen unter Führung von Michael Ludwig nichts davon wissen.