Kollateral-Totalschaden

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ANALYSE. Mit der gut gemeinten Impfpflicht geht mehr und mehr Unglück einher. Auch die Regierung selbst ist dabei, sich alles kaputtzumachen, was sie bis zum Sommer noch vorhat.

In der ersten November-Hälfte hatte die Impfkampagne wieder Fahrt aufgenommen. Es ließen sich wieder so viele Menschen einen ersten Stich verabreichen wie im Frühsommer. Immerhin. Über die Gründe können hier nur Mutmaßungen angestellt werden. Sehr wahrscheinlich war die aufkommende Delta-Welle entscheidend. Zögerliche Menschen ließen sich dazu bewegen, sich doch zu schützen.

Dann verständigten sich Regierung und Landeshauptleute am Achensee auf die Einführung der Impfpflicht mit 1. Februar 2022. Unmittelbar danach ist der Impffortschritt wieder zurückgegangen, zuletzt ließen sich mit 0,3 Prozent der Österreicherinnen und Österreich im siebentägigen Mittel überhaupt so wenige eine erste Dosis verabreichen wie noch nie seit dem flächendeckenden Impfstart vor einem Jahr.

Problem: Seit Ankündigung der Impfpflicht wird erst recht keine ernsthafte Überzeugungs- und Erklärungsarbeit geleistet. Wozu auch? Wenn die Leute ohnehin bald „müssen“. Allein: Dieser Zugang war und ist umso fataler, als Widerstände und Vorbehalte gegen die Impfung durch die geplante Pflicht eher wieder verstärkt worden sind.

Versuche, das wettzumachen, gibt es keine. Im Gegenteil: Zwischendurch wurde lediglich eine Kurzdebatte über den Vorschlag von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner geführt, Geboosterte zu belohnen. Am vergangenen Samstag ließ Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) im Ö1-Journal zu Gast jedoch durchblicken, dass er nichts davon hält. Die Sache sei jedoch offen. Signal: Das hat Zeit, so ernst ist die Lage auch wieder nicht.

Auch die Impfpflicht-Vorbereitungen selbst sind zunehmend misstrauensbildend. Wo soll man anfangen? Es grenzt an regierungs- bzw. behördeninternes Mobbing, dass die ELGA erst jetzt, drei Wochen vor dem 1. Februar, mitteilte, dass sie ihre Vorbereitungen nicht vor April abschließen könne. Es ist eine rechtsstaatliche Zumutung, dass alle, die eines Tages als „nicht geimpft“ gerastert werden, mit einer Geldstrafe von bis zu 3600 Euro bedacht werden sollen, Betroffene daraufhin (!) jedoch die Möglichkeit erhalten, „durch eine Eintragung im zentralen Impfregister“ oder „Vorlage des Impfasses oder einer ärztlichen Bestätigung“  nachzuweisen, dass sie sehr wohl geimpft sind.

Soll heißen: Wer immer das im Begutachtungsentwurf festgelegt hat, geht davon aus, dass es Systemfehler geben wird; dass Leute zu Unrecht zur Kasse gebeten werden. Das ist nicht harmlos: Jeder einzelne Fall, bei dem das passiert, wird groß wahrgenommen werden; mehrere Fälle haben das Zeug zu einem Proteststurm. Wobei sich ein solcher zumindest in den Frühsommer hineinziehen und unterm Strich vieles, wenn nicht alles überstrahlen wird, was die Regierung sonst noch liefert; sie wird dafür verantwortlich gemacht werden.

All das wäre genug, ist aber nicht alles. Die Ankündigung einer Impfpflicht im vergangenen November steht in Verbindung mit dem Lockdown, der damals ebenfalls fixiert wurde. Gut gemeinte Überlegung war, dass weitere Lockdowns nur dann verhindert werden können, wenn möglichst alle Menschen geimpft sind. Das hatte was.

Heute gibt es Omikron, ist vieles anders, wird von einem Paradigmenwechsel gesprochen. Impfen hat eine Schutzwirkung behalten, auch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) berichtet jedoch von grundsätzlich weniger schweren Erkrankungsverläufen. Ein Lockdown soll trotz schwindelerregender Infektionszahlen ausbleiben. Vorgesehen ist eine Durchseuchungsstrategie. Das soll gehen, obwohl es noch immer so viele Ungeschützte gibt.

Behauptung: Das steigert die Impfbereitschaft nicht. Im Gegenteil: In Verbindung mit der Aussage von Verfassungsministerin Karoline Edtadtler (ÖVP), dass es die Impfpflicht nur geben werde, wenn eine ausreichende Wirkung nachgewiesen sei oder der Tatsache, dass Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) plötzlich Vorbehalte anmeldet, befördert es eher ein Abwarten bei denen, die noch nicht geimpft sind. Sie können damit rechnen, dass dann, wenn auch die ELGA soweit ist, die Einhaltung der Impfpflicht zu kontrollieren, ohnehin alles anders sein wird.

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