ANALYSE. Rudolf Anschober hat schon viel ertragen müssen, ist sich selbst jedoch treu geblieben. Siehe seine jüngste Initiative für wirkungsvolle, aber auch rechtlich saubere Maßnahmen in der Coronakrise.
Rudolf Anschober muss es schwer gefallen sein, Mitglied dieser Regierung zu werden. Eine Zusammenarbeit mit der ÖVP ist ihm zwar schon aus Oberösterreich bekannt gewesen. Zu solchen Bedingungen aber nicht: Ausgerechnet bei seinem Leibthema gab es 100 Prozent türkis und null Prozent grün. Sebastian Kurz hatte mit den Seinen durchgesetzt, dass es bei der restriktiven Flüchtlingspolitik der vergangenen Jahre bleibt.
Schon bald sollte Anschober das persönlich zu spüren bekommen: Als er im Winter erklärte, dass er einen Neustart der EU-Marinemission „Sophia“ sehr begrüßen würde, wurde er von ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg öffentlich abgekanzelt, dass es ärger nicht mehr geht. Die österreichische Linie in dieser Sache werde in Brüssel von ihm, Schallenberg, vertreten und nicht von Anschober, so der Außenminister in einer Presseaussendung. „Sophia“ musste folglich sterben. Weil bei der Mission auch Flüchtlinge gerettet worden waren.
Grüne müssen sich sehr oft vorwerfen lassen, dass solche oder ähnliche Zurechtweisungen durchaus Wirkung zeigen würden bei ihnen. Was wohl damit zu tun hat, dass sie sich schon im Regierungsprogramm auf ein vages Klimakapitel reduzieren ließen. Oder damit, dass Leute wie Parteichef Werner Kogler zunächst forsch die Kontrolle übers Budget verlangt hatten, dann aber nicht einmal einen Staatssekretär im Finanzministerium nahmen. Oder damit, dass es von ihrer Seite her ziemlich ruhig geworden ist, wenn es um Menschenrechte, Medien, Kultur und andere Belange geht, die ihnen früher wichtig waren.
Grüne Flagge zeigen? Justizministerin Alma Zadic hat es getan, als sie sich den Angriffen von Sebastian Kurz auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft entgegenstellte. Und Anschober tut es. Auf die erwähnte Abkanzelung durch Schallenberg antwortete er, dass er sich weiterhin an der Debatte über die Flüchtlingspolitik beteiligen werde. Er gebe seine Überzeugungen schließlich nicht bei der Garderobe zum Ministerrat ab, wie er den „Kurier“ wissen ließ.
Jetzt hat der Mann, der als Gesundheitsminister schwer gefordert ist, das unter Beweis gestellt, wie noch kein Grüner vor ihm: Sebastian Kurz vermittelt mit Hilfe freundlicher Medien seit Tagen den Eindruck, dass er allein dabei ist, das Coronavirus zu besiegen. Grüne wie Anschober mussten demnach zur konsequenten Mitarbeit gezwungen werden. Was für sich genommen schon eine Demütigung ist.
Es geht aber noch weiter: Gerade Anschober, in dessen Ressortverantwortung der größte Teil des Krisenmanagements fällt, muss sich wegen verfassungsrechtlich heikler Maßnahmen seit Tagen rupfen lassen. Kurz hat kein Problem damit. Seine Devise lautet auf gut Deutsch: Wichtig ist, dass die Maßnahmen wirkungsvoll sind. Juristen mögen zu Hause bleiben.
Umso bemerkenswerter die nunmehrige Reaktion von Anschober: Er lässt kritische Juristen wie Ex-Justizminister und VwGH-Präsident Clemens Jabloner eine Expertengruppe bilden, die ihm künftig beratend zur Seite stehen wird. Damit die weiteren Maßnahmen nicht nur wirkungsvoll, sondern auch rechtlich sauber sind, sozusagen.
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