CoV-Politik: Immer übler

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ANALYSE. Bund und Länder tun sich nichts Gutes damit, weiter planlos und eher nur mit Blick auf unterschiedliche Stimmungslagen durch die Pandemie zu tapsen. Das kostet Glaubwürdigkeit und Gesundheitsminister. Allein: Eine mögliche Korrektur ist gerade verabsäumt worden.

Der Nächste bitte: Nach Rudolf Anschober und Wolfgang Mückstein droht mit Johannes Rauch schon der dritte Gesundheitsminister in dieser Pandemie aufgerieben zu werden. Er sei eine Woche im Amt, habe jedoch das Gefühl, dass es sich um zwei Monate handle, verriet er am Dienstagvormittag auf einer Pressekonferenz.

Zunächst ist der Vorarlberger nur Passagier gewesen. Die Aussetzung der Impfpflicht war längst vorbereitet. Nach seiner Angelobung blieb ihm lediglich die Aufgabe, sie zu verkünden. Bei der fünften Infektionswelle scheinen seine Möglichkeiten ebenfalls begrenzt zu sein. Er muss sich mit Kompromissen begnügen, Quarantäneregeln lockern und Gratistests beschränken. Wobei: „Muss“ er das?

Ja. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und er selbst haben einen überfälligen Schritt verabsäumt. Der Wechsel von Mückstein zu ihm hätte Gelegenheit geboten, etwas zu schaffen, was einem Grundübel entgegentritt: Ein Bund-Länder-Programm für den Umgang mit Corona.

Von Bundeskanzler Karl Nehammer wird kein Vorstoß dazu kommen, weil er sich dabei als ÖVP-Chef mit Landeshauptleuten oder auch Tourismusministerin Elisabeth Köstinger anlegen müsste; sie müssten sich zu einer gemeinsamen Strategie verpflichten. Das kann nur von den Grünen verlangt werden. Und das auch noch gut begründet: Ein Gesundheitsminister kann Kren reiben gehen, wenn er ständig von Ländern oder eben einer Regierungskolleginnen sekkiert wird.

So war’s doch bisher: Mückstein durfte im November mit dem Auftrag von einer Landeshauptleutekonferenz am Tiroler Achensee nach Wien zurückfahren, eine Impfpflicht im Februar einzuführen. Sie war noch nicht einmal in Kraft gesetzt, da wollten erste Landeshauptleute schon nichts mehr davon wissen.

ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner sind die Gratistests zu teuer geworden, also musste Rauch schon froh sein, insgesamt zehn pro Person und Monat gerettet zu haben. Dafür wird er zwar geprügelt, wenig erscheint das jedoch nicht zu sein: Laut einer Uni Wien-Corona-Panel-Erhebung vom Jänner ließen sich damals nur 42 Prozent der Ungeimpften und 32 Prozent der Geimpften vier Mal oder öfter testen in vier Wochen. Das Problem, dem man sich eher zuwenden könnte, ist, wie viele erklärten, sich nie testen zu lassen: 28 bzw. 26 Prozent. Aber das ist ein anderes Thema.

Der Punkt ist, dass Coronapolitik einmal mehr an Glaubwürdigkeit verloren hat; das beschädigt alle – Landeshauptleute, von Markus Wallner im Westen bis Hans Peter Doskozil im Osten, Regierungsmitglieder, von Nehammer bis natürlich auch Johannes Rauch. Entscheidend ist bei all den Kompromissen nicht, was sachlich begründet sein könnte, sondern was mit Blick auf unterschiedliche Stimmungslagen notwendig erscheint. Durch eine regierungsparteien- und gebietskörperschaftenübergreifende Vereinbarung über eine Strategie würde das zwar nicht verhindert, aber erschwert werden.

Die Sache ist banal: Es ist offen, was maßgebend ist. Man kann es lediglich erahnen: Gesundheitliche Belange eher nur dann, wenn aus Spitälern Hilferufe kommen, die nicht mehr zu überhören sind. Bis dahin behauptet etwa der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), dass es kein Problem gebe. Elisabeth Köstinger lässt einmal die Bundesgärten schließen, um ein anders Mal gegen Beschränkungen für den Tourismus herzuziehen. Heute so, morgen so, übermorgen anders.

Andere Länder tun sich da leichter, sie sind berechenbarer. In der Schweiz haben sich Bund und Kantone auf Strategien für absehbare Infektionswellen verständigt. Da stand nicht nur drinnen, was wichtig erscheint und worauf Bedacht genommen wird, sondern etwa auch, in welchen Bereichen es zuletzt zu Beschränkungen kommen sollte; darunter Schulen und Hotellerie.

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