Corona- ist nicht Flüchtlingskrise

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ANALYSE. Der Kanzler steht mit seiner schlichten Art, Politik zu machen, an: Zu groß und kompliziert sind die Probleme abseits der Gesundheit.

Teil des Erfolgs von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist es, in einfachen Mustern vorzugehen. Bei der Flüchtlingskrise war das „Balkanroute schließen“, „Mittelmeerroute schließen“ und so weiter und so fort. Das Schicksal der Asylwerber war egal. Es ging darum, den Österreicherinnen und Österreichern, die Kurz wichtig sind, die Sicherheit zu geben, dass keine mehr kommen.

In Folge der Coronakrise sah sich Sebastian Kurz nun gezwungen, Österreich de facto komplett zu schießen, ja alle Menschen ihre Wohnung nur noch in Ausnahmefällen verlassen zu lassen. Was aus damaliger Sicht sehr wahrscheinlich sogar vernünftig war. Der Punkt ist jedoch, dass Kurz jetzt glaubt, die Maßnahmen erstens als alternativlos und zweitens als erfolgreich darstellen zu müssen. Alles andere würde Zweifel aufkommen lassen. Und das ist Gift. Also sagt der 33-Jährige immer wieder, dass das Land gut dastehe. Wirklich? Wer’s nicht glaube, der möge nach Italien, Frankreich oder Spanien schauen. Überzeugt?

Das Problem des Kanzlers und der gesamten Republik ist jedoch, dass die Probleme wesentlich vielschichtiger sind. Bei der Flüchtlingskrise ließ sich die Sache mit Grenzschließungen wirkungsvoll erledigen. Bei der Coronakrise ließ sich durch den Shutdown ein Problem lösen (nämlich die ungebremste Ausbreitung des Virus mit einem Zusammenbruch des Gesundheitssystems und tausenden Toten); zugleich sind aber genau damit viele andere entstanden, die noch offen sind.

Vor diesem Hintergrund ist es fast schon selbstbeschädigend, wenn Kurz davon spricht, dass Österreich gut dastehe: Dem mögen diejenigen zustimmen, die gesund geblieben und alles behalten haben. Es ist aber eine echte Zumutung für die vielen, die zwar nicht erkrankt, aber ihren Job verloren haben; oder die Unternehmer, die keine Ahnung haben, ob es ein Morgen gibt; oder als Künstler nicht mehr auftreten und daher auch kein Geld mehr verdienen können; oder als Selbstständige ohne Aufträge und damit ebenfalls ohne Einkünfte dastehen; oder auch jene, denen aus den Reihen der Genannten zwar Hilfe versprochen worden ist, die nun aber bei irgendwelchen Bestimmungen und Wirtschaftskammerbürokratien anstehen und daher nicht mehr ein und nicht mehr aus wissen, um es ganz vorsichtig zu formulieren.

Sebastian Kurz hat im März einmal von der größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg gesprochen. Heute erweckt er den Eindruck, zu glauben, sie bewältigt zu haben und jetzt politisch abräumen zu können. Das ist jedoch ein Irrtum. Die Krise geht erst los.

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