Klimakleber nützen der FPÖ

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ANALYSE. … machen im Übrigen der ÖVP zu schaffen und können Babler nicht egal sein: Politische Folgen einer jüngeren Form des Protests.

Die Klimakrise wird nicht nur bleiben, sondern immer größer werden. Leute, die den Straßenverkehr blockieren, werden früher oder später aufhören damit, sodass der Begriff „Klimakleber“ für nachfolgende Generationen erklärungsbedürftig werden wird. Zweitens: Auf Klimapolitik und die Bereitschaft einer Masse, eine solche mitzutragen, haben diese Leute keinen Einfluss. Hier werden Autofahrer ja nicht durch die zuständige Ministerin aufgehalten, die erklärt, sie erst dann weiterfahren zu lassen, wenn sie bereit sind, auf Öffis umzusteigen. Anders ausgedrückt: Man würde die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler unterschätzen, wenn man unterstellt, dass sie aus Ärger über Einzelne, die sich selbst ermächtigen, den Verkehr stillzulegen, den ganzen Klimawandel jetzt erst recht befeuern möchten.

Da und dort gibt es die Vermutung, dass der Protest den Grünen schade. Woher: Werner Kogler, Leonore Gewessler und Co. mischen den Stoff, mit denen sich diese Leute auf Straßen kleben, nicht an. Würde es da eine sichtbare Verbindung geben, hätten sie ein Problem. Aber so: Grünen-Wähler wählen die Grünen, weil ihnen deren Vorstellungen von Klimapolitik, Sozialem, Zuwanderung, Integration oder vielleicht überhaupt nur gewisse Grundeinstellungen gefallen.

Nach bald vier Jahren Regierungsbeteiligung macht den Grünen daher Anderes zu schaffen. Die Abschiebung von Kindern durch einen türkisen Innenminister und die Einstellung der „Wiener Zeitung“ durch eine türkise Medienministerin beispielsweise, die sie nicht verhindern konnten oder sogar offensiv mitgetragen haben. Die Klimakleber sind belanglos für sie.

Politisch relevant sind diese viel eher für die Freiheitlichen: Ein bisschen ist es aus deren Sicht wie bei Corona und der Impfung. Oder beim russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und den Reaktionen darauf (Sanktionen etc.). Zumal sich Herbert Kickl grundsätzlich als Vertreter von Autofahrern (Tempo 160!) und all jenen anbietet, die Klimapolitik ablehnen, tut sich eine weitere Gelegenheit auf für sie, zu mobilisieren.

Ja, das alles ist noch viel besser und vielschichtiger für die Blauen: Einerseits ist in ihrer Zielgruppe die Toleranz gegenüber Leuten, die vorgeben, fürs Klima den Verkehr aufzuhalten, verschwindend klein; andererseits wirkt ausgerechnet die ÖVP, der sie in den vergangenen Monaten schon so viele Wähler (de facto) abgenommen haben, ohnmächtig und ist nicht in der Lage, dafür zu sorgen, dass Autos nicht aufgehalten werden können und wenn, dann nur für Minuten. Wie sollte sie auch? Auch schweres Gerät, das die Polizei laut Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nun beschaffen wird, wird nichts daran ändern. Das ist eher nur Ausdruck einer Verzweiflung.

Unterm Strich kann das, was Klimakleber machen, der FPÖ gefallen und muss es der ÖVP, die ja zu einem erheblichen Teil von FPÖ-Klientel lebt, missfallen. Letzteres bringt ungleich stärker noch als Nehammer die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zum Ausdruck, die so wirkt, als würde sie gerne mehr fordern als Haftstrafen, wenn es nur irgendwie möglich wäre. Sie hat schon vor der Niederlage bei der Landtagswahl im Jänner gemerkt, in welche Richtung das alles läuft. Verhindern konnte sie trotz aller Bemühungen nichts. Hier wird nicht nur öffentliche Ruhe und Ordnung gestört. Klimakleber stören unter anderem das, was einem Teil der Wählerschaft wichtig ist: dass sie ungehindert zur Arbeit oder wo auch immer hinfahren können. Sie stören sogenannte Freiheit auf vier Rädern.

Natürlich: Es gibt weitere Themen, die parteipolitisch relevant sind. Insbesondere die Teuerung. Und: Andreas Babler kann beim Thema, um das es hier geht, für die SPÖ nicht gewinnen wie die FPÖ oder verlieren wie die ÖVP. Schon aus diesem Grund tangiert es indirekt aber auch ihn: Kanzler werden kann er nur, wenn er Wähler davon abhält, die Freiheitlichen zu wählen. Insofern wird er sich für den Umgang mit Klimaklebern etwas einfallen lassen müssen. Es geht hier um Hunderttausende, die täglich zwischen ihrem Heimatort und Wien pendeln und denen sie nicht egal sind.

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