7 Sünden der Medienpolitik

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ANALYSE. Das Ende der Wiener Zeitung gehört als Teil eines größeren Ganzen gesehen, das sich gegen Journalismus und damit auch gegen informierte Bürgerinnen und Bürger richtet.

320 Jahre nach ihrer Gründung wird diese Woche die Wiener Zeitung eingestellt. Zu teuer, sagen Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) und die Mediensprecherin der Grünen, Eva Blimlinger, beteuern zugleich jedoch, dass die „Zeitung“ digital weitergeführt werden solle. Allein: Sehr viele Journalistinnen und Journalisten werden das Unternehmen verlassen. Es wird also weniger von dem geben, worauf es ankommt: Journalismus im Sinne von Qualität und Vielfalt, im Sinne informierter Bürgerinnen und Bürger. Die Wiener Zeitung mag nur von wenigen gelesen worden sein, sie ist jedoch wahrgenommen worden. Sie setzte zum Beispiel auch für andere Medien journalistische Maßstäbe. Das wird künftig fehlen.

Bei der Parteienförderung, die weltweit gemessen an der Bevölkerung die höchste sein dürfte, hat noch nie jemand gesagt, sie sei zu teuer bzw. hoch. Aus gutem Grund. Dass dies aber bei einer Zeitung getan wird, lässt tief blicken. Es wird dem, worum es geht, kein Wert beigemessen.

Die Einstellung der Wiener Zeitung ist daher „nur“ eine von vielen Sünden. dieSubstanz.at fasst (mit ihr) insgesamt sieben zusammen. Und das ist unvollständig.

Die zweite Sünde muss hier nur gestreift werden, weil sie in zahlreichen Beiträgen auf diesem Blog behandelt wird: Medienförderung. Sie erfolgt zum kleineren Teil durch Förderungen auf gesetzlicher Basis, die zu lange keinerlei Anreize für Medien erzeugt haben, innovativ zu sein. Das macht heute vielen zu schaffen. Vor allem passiert diese Förderung aber durch Inserate, die mehr oder weniger willkürlich vergeben werden. Eher nicht zur Stärkung eines kritischen Journalismus, sondern einer gefälligen Berichterstattung. Siehe die jüngsten Affären, in die Boulevardblätter involviert sind. Gerne gefördert werden so auch Titel wie der „Exxpress“, der aktuell etwa den russischen Botschafter verbreiten lässt, was in der Ukraine laufe.

Die dritte Sünde ist die Aufrechterhaltung einer politischen Kontrolle über das größte und wichtigste Medienhaus der Republik; den ORF. Susanne Raab weigert sich, die laufende ORF-Reform auch dafür zu nützen, den Stiftungsrat zu „ent-parteipolitisieren“ sowie Landeshauptleuten die Mitbestimmung über die Landesdirektoren zu nehmen. Das ist insofern bemerkenswert, als etwa Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) aus Niederösterreich sogar angeboten hätte, darauf zu verzichten. Doch Raab ignoriert das nicht einmal.

Die vierte Sünde betrifft Parteimedien wie das Volksblatt und das City-Magazin in Oberösterreich. Wobei es nicht darum geht, dass es sie gibt. Der Punkt ist: Weltweit bestgeförderte Parteien machen Zeitung; und sorgen – im konkreten Fall insbesondere über die oö. Landesregierung – auch noch dafür, dass diese mit öffentlichen Inseraten Geld verdienen. An das Volksblatt und das City-Magazin flossen in den vier Quartalen bis Ende März 2023 wie berichtet mehr als eine Million Euro unter diesem Titel, während man die Wiener Zeitung zugrunde gehen lässt.

Die fünfte Sünde ist der vielschichtige Versuch, freie Berichterstattung über oder durch Recht zu behindern. Dazu muss man zählen, dass die Stadt Klagenfurt gerade gegen einen Journalisten wegen eines behaupteten Beitrags zum Bruch des Amtsgeheimnisses vorgehen lassen wollte. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt war ja sogar darauf eingestiegen und hatte ihm schon Handy und Laptop abgenommen. Ob ein neues Informationsfreiheitsgesetz grundsätzlich Besserung bringen wird, muss bezweifelt werden. Es könnte – aufgrund umfassender Einschränkungen – de facto sogar zu einem verschärften Amtsgeheimnis kommen. Außerdem: Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) kämpft mit Unterstützung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) für ein Zitierverbot aus Strafakten – auf dass möglichst keine Affären mehr auffliegen.

Die sechste Sünde ist Message Control. Sie wird auch nach Sebastian Kurz fortgesetzt. Zum Beispiel durch die De-facto-Abschaffung des Pressefoyers beim Ministerrat. Jahrzehntelang war es die Regel, dass sich Kanzler und Vize allen Fragen stellen, die Journalistinnen und Journalisten hatten. Das gibt es nicht mehr. Damit fehlt etwas ganz Wichtiges: Die Regierungsspitze stellt sich nicht mehr regelmäßig einer unkontrollierbaren Medienöffentlichkeit. Sie kommuniziert stattdessen lieber kontrolliert in Form schriftlicher Statements; oder sogenannter Kanzlergespräche, bei denen sie die Themen setzt.

Das leitet über zur siebten Sünde. Es gibt eine Tendenz, Medien umfassend fernzuhalten, wo es nur irgendwie geht. Beispiel: Im Parlament ist es für Pressefotografen nicht mehr möglich, auf Höhe des Plenums ins Plenum zu fotografieren. Damit tun sie sich schwer, brauchbare Bilder von Abgeordneten und anwesenden Regierungsmitgliedern zu machen. Was wohl auch das Ziel ist.

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