Kurz’sche Widersprüche

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ANALYSE. Der Bundeskanzler und ÖVP-Chef verspricht Entlastungen, erhöht jedoch Förderungen und Pensionsausgaben. Das geht nicht zusammen.

Hinweise darauf könnten dem Bundeskanzler und ÖVP egal sein, weil er noch immer durchkommt mit seinen Erzählungen: Seit vielen Jahren führt seine Partei, die ÖVP, das Finanzministerium, seit vier Jahren verspricht sie eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote „Richtung 40 Prozent“ des BIP. Das ist erstens unverbindlich, vor allem aber an sich selbst gerichtet und die Erfüllung obendrein auch abhängig von der Entwicklung der Wirtschaftsleistung, über deren Niveau die Quote ja ermittelt wird.

Auf dem Bundesparteitag in St. Pölten bekräftigte Kurz nun die Absicht, in Richtung 40 Prozent zu gehen, um in einprägsamen Worten für eine Steuersenkung auf kleine und mittlere Einkommen zu werben: Wer früh aufstehe, solle auch von seiner Arbeit leben können. Das mit der Steuersenkung ist freilich ein Taschenspielertrick: Wie die wirtschaftsliberale Denkfabrik „Agenda Austria“ vorgerechnet hat, kann kaum von einer Entlastung gesprochen werden. Eher wird unverzinst Selbstverständliches refundiert, nämlich das, was seit der letzten Steuer-„Reform“ durch die kalte Progression zusammengekommen ist – deren Abschaffung Kurz im übrigen bei den Nationalratswahlen 2017 und 2019 ebenfalls versprochen hat, aber aus nachvollziehbarem Grund schuldig geblieben ist: Eine Abschaffung würde ihm die Möglichkeit nehmen, alle paar Jahre eine Entlastung vorzugehen, die in Wirklichkeit eben keine ist.

Im Übrigen würde eine echte, also spürbare wie nachhaltige Entlastung voraussetzen, dass bei den Ausgaben gebremst wird. Davon mag Kurz reden (Stichwort „Sparen im System“), konkrete Maßnahmen gehen jedoch in die entgegengesetzte Richtung. 2017 hat er angekündigt, bei den Förderungen anzusetzen. Ergebnis: Von 2017 bis 2019 stiegen die Bundesförderungen insgeamt von 20,7 auf 23,5 Milliarden Euro, wie dieSubstanz.at hier ausgeführt hat. Das war vor Corona, wohlgemerkt.

Und eine Trendwende ist auch nach Corona nicht in Sicht. Im Gegenteil: Bei der geplanten Ökologisierung will Sebastian Kurz „keine Autofahrerfeindlichkeit“ demonstrieren. Spritpreiserhöhungen werden von seinen Leuten (im konkreten Fall Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf) ebenso abgelehnt wie eine Beseitigung des Dieselprivilegs (Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger) oder Änderungen bei den Pendlerförderungen (ÖAAB-Chef August Wöginger). Die Ökologisierung mit Hausverstand, die Kurz ankündigt, läuft über eine verstärkte Förderung grüner Technologien. Ergebnis: Damit das wirkt, müssen für jeden Euro, der bereits in Klimaschädliches geht, zwei Euro für Klimafreundliches beigesteuert werden – womit die Gesamtaufwendungen noch stärker zunehmen werden.

Kein Spielraum für eine Entlastung wird auch bei sonstigen Ausgaben zu erwarten sein. Wobei „sonstige Ausgaben“ eine Untertreibung ist. Für Pensionen muss Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) heuer nach eigener Rechnung summa summarum 23 Milliarden Euro locker machen, 2024 werden es bereits 26 Milliarden Euro sein. Das entspricht gut einem Viertel der Gesamtausgaben, und kein BIP-Wachstum wird das zur Gänze relativieren.

Das Problem ist keine oder großzügige, vor allem aber nicht gedeckte Pensionspolitik: Zum einen wird das Pensionsantrittsalter de facto nicht angerührt. Zum anderen gibt es jährliche Anpassungen, die die Kosten extra steigen lassen.

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