Solidaritätstest

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ANALYSE. Österreichs stehe „mit Israel im Kampf gegen den Terror Seite an Seite“, sagen alle Parteien. Damit sie das durchhalten können, müssen sie jetzt liefern.

Es waren wichtige Worte, die die Chefs der im Parlament vertretenen Parteien vergangene Woche in einer gemeinsamen Erklärung wählten: Der Hamas-Terror sei „durch nichts zu rechtfertigen“, so Karl Nehammer (ÖVP), Andreas Babler (SPÖ), Herbert Kickl (FPÖ), Werner Kogler (Grüne) und Beate Meinl-Reisinger (Neos). Und: Aufgrund der eigenen Geschichte trage man besondere Verantwortung, „mit Israel im Kampf gegen den Terror Seite an Seite zu stehen“.

Das musste klargestellt werden: Hamas ist eine Terrororganisation, deren Ziel es ist, Israel auszulöschen. Das ist keine Hilfsorganisation, der die Arbeit in den vergangenen Jahren schwergemacht worden ist. Zweitens: Das Massaker vom 7. Oktober ist von einer solchen Abscheulichkeit, dass sich jedes „Aber“ verbietet. Drittens: Gerade Österreich, das seine Mitschuld am Holocaust ohnehin viel zu spät eingestanden hat, muss sich dem entgegenstellen.

Was bedeutet dieses solidarische „Seite an Seite“ mit Israel stehen jedoch? Das ist weniger klar. Vor eineinhalb Jahren wurde immer wieder „Solidarität“ mit der Ukraine betont. In Erinnerung geblieben ist etwa, wie Bundeskanzler Nehammer Wladimir Klitschko, dem Bruder des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko, bei einem Treffen in Deutschland freundschaftlich auf die Schulter boxte und dem ukrainischen Volk „großen Respekt und Wertschätzung“ ausdrückte, weil es „so tapfer und wehrhaft“ sei, „um für unsere Werte und Freiheit zu kämpfen“.

Stand heute: Österreich überweist wesentlich mehr Geld (für Gaslieferungen) nach Russland als (für humanitäre Hilfen) in die Ukraine. Von der innenpolitischen Agenda ist das ganze Thema überhaupt weitgehend verschwunden. Was noch übel enden könnte: Man duldet in der EU die Finanzierung und die Lieferung von Waffen an die Ukraine, ja man trägt die EU-Sanktionen gegen Russland mit, die Wählerschaft wendet sich aber immer stärker ab davon. Das wird sich früher oder später auswirken, es stärkt die Freiheitlichen; und wenn sie in die Regierung kommen, ist Österreich „Putins nützlicher Idiot“ (Economist); dann stärkt Österreich das EU-interne Lager mit Ungarn und der Slowakei, das findet, man solle sich mit dem russischen Präsidenten arrangieren.

Beim Krieg in Israel wird es nicht reichen, Solidarität zu betonen. Demonstrationen mit Sympathiebekundungen für die Hamas oder die Antisemitismusstudie lassen den Schluss zu, dass sie für einen Teil der Bevölkerung nicht nur nicht selbstverständlich ist, sondern abgelehnt wird. Das ist das eine. Das andere: Mit jeglicher Ausweitung des Krieges könnten in weiteren Teilen der Bevölkerung Zweifel wachsen, ob es vernünftig ist, hier solidarisch zu sein.

Gerade in Österreich, wo Neutralität nicht nur militärisch verstanden wird. Sie dient vor allem auch dazu, die Rolle eines Unbeteiligten zu spielen, der sich auf eine Insel der Seligen zurückzieht. Ein Blick auf die Themen der österreichischen Innenpolitik bestätigt das nur: Weltkrisen hin, Weltkrisen her, es wird über Bargeld in der Verfassung oder „Normalität“ geredet.

Solidarität kann bald einmal unpopulär werden. Bei einer Politik, für die Popularität eine wesentliche Kategorie ist, die Außen- als Innenpolitik versteht, ist das gefährlich. Es sei denn, ÖVP und FPÖ erkennen, dass sie Solidarität mit Israel immer wieder erklären, begründen und verteidigen müssen; dass sie hier durchaus Stimmen verlieren können. Doch auch die dritte größere Partei wird gefordert sein: Außenpolitik wird in der SPÖ schon zu lange vernachlässigt. Heute fällt es auf, wird es verhängnisvoll. Muss, wenn Solidarität ernst gemeint ist und durchgehalten werden soll, vieles nachgeholt werden, damit eine Wähler:innenmasse auch in ein paar Monaten noch versteht, warum sie wichtig ist.

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