ANALYSE. Der Bundeskanzler übernimmt den Wahlkampf und fordert eine EU-Reform. Bloß: Eigene Politik und der Koalitionspartner machen diesbezüglich größere Probleme.
Im Hinblick auf die EU-Wahl läuft der ÖVP-Kampagnenmotor nicht gerade rund. Wobei das natürlich auch in der Natur der Sache liegt: Sehr unterschiedliche Kandidaten, von Othmar Karas bis Karoline Edtstadler, sollen sehr unterschiedliche Gruppen mobilisieren. Das kann aufgehen, muss aber nicht. Ob zum Beispiel Karas-Anhänger trotz Edtstadler schwarz bzw. türkis wählen, ist offen. Und zunehmend nebensächlich. Bundeskanzler und Parteiobmann Sebastian Kurz ist schließlich dabei, die Kampagnenführung zu übernehmen.
Die Rechtspopulisten seien keine Verbündeten. (Sebastian Kurz)
In einem Interview mit den Bundesländerzeitungen und der „Presse“ sprach sich Kurz ziemlich genau vier Monate nach „seinem“ EU-Vorsitz für eine große EU-Reform aus. Zitat: „Es braucht einen neuen Vertrag mit klareren Sanktionen gegen Mitglieder, die Schulden machen, Strafen für Länder, die illegale Migranten nicht registrieren und durchwinken, sowie harte Konsequenzen bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit und liberale Demokratie.“ Die Rechtspopulisten seien keine Verbündeten.
Besonders konkret ist das nicht. Kein Wunder, die „Kronen Zeitung“ erhielt wenig später die Botschaft, dass auch ein Atomausstieg Teil eines neuen Vertrages werden solle. Sprich: Da lässt sich nun für jede Zielgruppe etwas Populäres hinzufügen. Der Wahlkampf dauert schließlich noch ein paar Wochen.
Das Problem ist jedoch ein sehr Grundsätzliches: Die Rechtspopulisten können nicht keine Verbündeten sein. Kurz selbst koaliert mit den Freiheitlichen, die Seite an Seite mit anderen Rechtspopulisten marschieren, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker als Alkoholiker darstellen und wohl auch nicht zufällig Othmar Karas zu ihrem Hauptgegner im laufenden EU-Wahlkampf erklärt haben. Letzteres mögen Kurz und die gesamte ÖVP dulden; genau hier aber machen sie sich unglaubwürdig: Man kann nicht Antieuropäer im eigenen Bett bereitwillig wüten lassen und nach außen hin so tun, als wäre man gemeinsam als Regierung proeuropäisch.
Österreich war zuletzt alles andere als proeuropäisch.
Und überhaupt: Dass Sebastian Kurz nun z.B. von Sanktionen für Länder spricht, „die illegale Migranten nicht registrieren und durchwinken“, ist das eine. Dass er sich selbst die längste Zeit gegen verpflichtende Quoten zur Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen hat und im Rahmen des EU-Vorsitzes auch keine Lösung dazu erzielt hat, ist das andere. Es ist widersprüchlich.
Im Zweifelsfall hat Österreich in der jüngsten Vergangenheit alles andere als proeuropäisch in dem Sinne agiert, dass es das Gemeinsame gesucht hätte. Nationale Interessen mit entsprechenden Alleingängen auf Kosten anderer Mitgliedsländer hatten Vorrang – von der Aufrechterhaltung der Grenzkontrollen auch vier Jahre nach der Flüchtlingskrise über die Schließung der Balkanroute (zum Leidwesen Griechenlands) bis hin zur Indexierung der Familienbeihilfe.
>> dieSubstanz.at per Mail. Regelmäßig. Gratis >> Zum Newsletter