EU-Wahl der Extreme

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ANALYSE. Ein zweiter Blick auf Stimmungslagen in Österreich zeigt, wie sehr sich vor allem Freiheitliche, aber auch Türkise ausschließlich danach richten. (Und wie viel Platz daneben noch wäre bzw. ist.)

Mehr als die Hälfte der 26.523 Männer und Frauen, die bei einer Eurobarometer-Erhebung im vergangenen Herbst in den 27 Mitgliedsländern der EU befragt wurden, findet, dass das Europäische Parlament eine bedeutendere Rolle spielen sollte. 53 Prozent sind es, um genauer zu sein. 30 Prozent meinen hingegen, dass der Volksvertretung eine weniger bedeutende Rolle zukommen sollte.

Österreich zählt zu den paar Ländern, in denen es umgekehrt ist: Von 1012 Befragten gaben hier nur 38 Prozent an, dass das Parlament aufgewertet werden sollte. 39 Prozent sprachen sich für eine Abwertung aus.

Es ist unter anderem wohl das Ergebnis praktischer Politik: Die EU ist eher negativ besetzt, ins Parlament werden eher Politiker aus der zweiten Reihe oder „Altgediente“ geschickt. Eine Zeit lang was es auch üblich, mit sogenannten Promis in Wahlen zu gehen.

Das bedeutet nicht, dass letzten Endes immer wieder überzeugte, profilierte Europäer:innen im EU-Parlament sitzen. Im Gegenteil: Johannes Voggenhuber (Grüne), Claudia Gamon (Neos), Andreas Schieder (SPÖ) und Othmar Karas (ÖVP) seien hier nur beispielhaft angeführt.

Bei Karas sieht man jedoch, dass das in den eigenen Reihen zu Hause nicht unbedingt goutiert wird: Die ÖVP hat keinen Wert darauf gelegt, dass er für sie im Europäischen Parlament bleibt. Sie setzt bei der EU-Wahl am 9. Juni lieber auf Reinhold Lopatka, der für weniger Europa steht; und auch eine weniger bedeutende Rolle für die Volksvertretung auf europäischer Ebene.

Viel stärker noch tun das Freiheitliche, die unter Herbert Kickl und Harald Vilimsky eine Vetopolitik in Brüssel sowie eine Rückführung von Kompetenzen auf die nationale Ebene fordern.

Das kommt nicht irgendwoher. Die angegebenen Befragungsergebnisse für Österreich stellen „nur“ Gesamtwerte dar. Sie dürfen nicht über Extreme hinwegtäuschen. Beispiel: Weit überdurchschnittlich ist der Ruf, dem europäischen Parlament eine weniger bedeutende Rolle zukommen zu lassen, bei Älteren (45 Prozent), Personen, die ihren Bildungsabschluss bis 15 erworben haben, also maximal die Pflichtschule absolviert haben (51 Prozent); vor allem aber bei jenen, die sich selbst der „Arbeitsklasse“ zuordnen (57 Prozent) oder politisch rechts verorten (63 Prozent).

Für Parteien, die rechts der Mitte stehen und die populistisch in dem Sinne sind, dass sie nicht Menschen für etwas gewinnen wollen, sondern sich damit begnügen, Menschen nach dem Mund zu reden, ist unter diesen Umständen alles klar: Sie fahren einen mehr oder weniger deutlichen antieuropäischen Kurs. Das entspricht ihren Zielgruppen. Also tun es Kickl und Co. auch.

These: Umso mehr Platz ist daneben insbesondere für Grüne und Neos. Es gibt schließlich auch ein anderes Österreich: Bei unter 55-jährigen ist eine relative Mehrheit für eine bedeutendere Rolle des Europäischen Parlaments. Vor allem bei unter 25-Jährigen ist das der Fall (52 Prozent). Abgesehen davon handelt es sich um eine Mehrheit bei Personen mit einem höheren bzw. ab 20 erworbenen Bildungsabschluss (50 Prozent) sowie jenen, die sich der oberen Mittelschicht zuordnen (65 Prozent) und politisch links sehen (61 Prozent).

Herausfordernd scheint das alles zusammen nur für die SPÖ zu sein: Die „Arbeiterklasse“ ist klar für eine weniger bedeutende, Linke sind hingegen ebenso klar für eine bedeutendere Rolle des EU-Parlaments. Beiden gerecht zu werden ist schwierig. Andererseits entspricht es anspruchsvoller Politik, für etwas zu werben und Überzeugungsarbeit zu leisten.

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