Nehammer beschädigt

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ANALYSE. ÖVP-Ländergranden befeuern Neuwahlspekulationen. Dem Kanzler und Bundesparteiobmann kann das nicht recht sein.

„Länder-Chefs für Frühjahrs-Wahl“, titelte die Tageszeitung „Österreich“ in der Dienstagsausgabe und war nicht das einzige Blatt mit dieser Botschaft: Bei einem Treffen mit Bundeskanzler und ÖVP-Obmann Karl Nehammer habe sich eine Mehrheit der Granden für eine vorgezogene Nationalratswahl ausgesprochen. Ob der Oberösterreicher Thomas Stelzer oder der Vorarlberger Markus Wallner, einige seien der Überzeugung, dass in der Koalition nichts weitergehe und mehrere würden meinen, dass nicht regulär im September gewählt werde sollte, weil dann nach einer Niederlage bei der EU-Wahl im Juni eine noch üblere Stimmungslage für die Volkspartei herrschen würde.

Aus der Partei hieß es laut Austria Presse Agentur (APA) freilich, dass das kein Thema sei. Na ja: ORF Vorarlberg berichtete zum Beispiel, Wallner habe bei einem Neujahrsempfang der Industriellenvereinigung im Land erklärt, dass eine Diskussion über eine vorgezogene Wahl „sinnvoll“ sei. Auf Nachfrage am Folgetag habe er zudem betont, dass er nicht vorhabe, sich „an Neuwahlspekulationen heute weiter zu beteiligen“.

Zwischenstand: Nehammer ist beschädigt. Aus folgenden Gründen: De facto wird hier seine Regierung ohne Not infrage gestellt. Außerdem wird seine Autorität untergraben, zu entscheiden, wann ein allenfalls günstiger Zeitpunkt ist, in Neuwahlen zu gehen.

Eine Legislaturperiode ist auf fünf Jahre angelegt. Ursprünglich waren es vier, in den 2000ern ist es nicht zuletzt aber auf Wunsch der ÖVP zu einer Ausweitung gekommen. Man wolle länger für Österreich durcharbeiten, hieß es.

Die Dauer ist ernst zu nehmen: Der Souverän wählt für fünf Jahre. Das einfach so mir nichts, dir nichts abzukürzen, entspricht ausgerechnet aber einer ÖVP-Unsitte: 2008 hat es sie es unter Führung von Wilhelm Molterer nach zwei Jahren getan sowie 2017 und 2019 unter Führung von Sebastian Kurz nach vier bzw. zwei Jahren. 2019 sprach nicht nur Ibiza dafür, die Partei rechnete sich vielmehr gute Chancen bei Wahlen aus. Sie wurde schließlich bestätigt.

Heute geht es wieder nicht um einen klaren Anlass im Sinne des Staatsganzen, um über Neuwahlen zu spekulieren. Es geht schlicht um Parteiinteressen: Ist es taktisch günstiger für die ÖVP, vor oder nach der EU-Wahl zu wählen? Ist es besser für die Vorarlberger ÖVP, die spätestens im November eine Landtagswahl zu schlagen hat, wenn ein größerer Abstand zur Nationalratswahl besteht? Sie findet offenbar ja. Der steirischen ÖVP ist wiederum nur wichtig, dass bei „ihrer“ Landtagswahl, die auf jene in Vorarlberg folgen wird, noch keine Bundesregierung steht: Blau-Türkis oder Rot-Türkis/Türkis-Rot könnte Simmen kosten.

Wenn schon, dann müsste es ÖVP-intern allein Nehammer vorbehalten werden, darüber zu befinden, wann gewählt wird. Indem das nicht berücksichtigt wird, wird unfreiwillig klar zum Ausdruck gebracht, dass er nicht der Chef ist.

Was keine Belanglosigkeit darstellt. Einerseits wird vermittelt, dass eigentlich egal ist, wie lange seine Regierung am Werk ist; ob sie heute oder in drei, vier Monaten Schluss macht. Andererseits wird er insofern geschwächt, als er sich jetzt, selbst wenn er es zufällig vorgehabt hätte, nicht mehr gut für Neuwahlen aussprechen könnte: Es würde heißen, er habe nur seinen Chefs gehorcht.

In Wirklichkeit wäre es für Nehammer wichtig, dass er die Option jederzeit hat. Dass auch die Grünen immer ein bisschen im Ungewissen bleiben. Vor allem aber, dass er am Tag X derjenige ist, der zur Überraschung (möglichst) aller die Neuwahlkarte zieht – wenn schon ausschließlich parteitaktische Überlegungen im Vordergrund stehen.

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