Nehammer verstolpert sich

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ANALYSE. Schengen-Veto: Der Kanzler versucht mit Asylpolitik Stimmung zur Rettung der ÖVP in Niederösterreich und darüber hinaus zu machen. Es ist jedoch zu stümperhaft.

Bulgarien und Rumänien müssten den Grenzschutz verbessern, dann werde Österreich den Weg frei für einen Schengen-Beitritt der beiden Länder machen, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer in der ORF-Pressestunde sinngemäß. Und: Man habe jetzt ein Veto einlegen müssen auf europäischer Ebene; nachdem die EU-Kommission nichts getan habe, habe man eben „kräftig“ nationalstaatlich handeln müssen.

Selbst in Italien, wo es seit geraumer Zeit eine nationale Regierung gibt, kann man das nicht nachvollziehen und zeigt sich verwundert darüber. Was insoferne nicht überrascht: Sachlich ist das, was Nehammer mit seinem Innenminister Gerhard Karner vertritt, verlogen bis unschlüssig.

Der Kanzler ist Chef der ÖVP, also einer Ertrinkenden, und versucht vor der niederösterreichischen Landtagswahl noch schnell alle Register zu ziehen, die sich für die Partei irgendwie schon einmal bewährt haben. National zu sein und gegen die EU zu poltern, zog immer wieder. Sich gegen Südosteuropäer zu stellen, ist in gewissen Kreisen auch schon angekommen. Bei Migration Kante zu zeigen sowieso. Bei Sebastian Kurz hat das zum Wahlerfolg geführt.

Aber bei Karl Nehammer? Er hat eine Schwierigkeit und eine Schwäche. Zunächst ist die Glaubwürdigkeit der ÖVP durch das, was Kurz letzten Endes geliefert hat, zerstört. Umso schwerer wiegt, dass sich Nehammer in weiterer Folge nichts antut bei seiner Migrationspolitik. Dass er unübersehbare Widersprüche in Kauf nimmt.

Anders als von ihm unterstellt, aber auch im Unterschied zu ihm, ist die EU in der Sache nicht nur hochaktiv, sondern auch präzise: Während er sich mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić verbrüdert, stellt sich der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Margaritis Schinas, klar gegen die Visapolitik des Landes: „Es ist inakzeptabel, dass der Westbalkan Visaabkommen mit Drittländern hat, deren Bürger Schlupflöcher nutzen, um in die EU einzureisen“, so Schinas.

In der EU gibt es wiederum vor allem ein unsolidarisches Land, das sich an so gut wie keine Asylregel mehr hält: Ungarn. Im Schnitt werden dort nur noch rund fünf Asylanträge pro Monat verzeichnet. Grund: Seit 2020 können sie ausschließlich über die Botschaften in Belgrad und Kiew (!) eingebracht werden. Nehammer spricht das nicht nur nicht an, sondern pflegt auch mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán eine partnerschaftliche Beziehung, ja eine Allianz. Begründung in der Pressestunde: Ungarn sei ein Nachbarland, das man für die Kooperation in sicherheitspolizeilichen Fragen brauche. Rechtsstaatliche Missstände sind dabei offenbar vollkommen egal.

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