#Asyl Symbolpolitik reicht nicht

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ANALYSE. Besonders Kurz und Kickl sind nach der Ermordung einer 13-Jährigen zu bekannten Forderungen geschritten. Wann werden jedoch unbrauchbare Gesetze erneuert, wird Behördenversagen der Kampf angesagt? Das wäre mehr wert als zur Schau gestellte Härte.

Noch laufen die polizeilichen Einvernahmen der Tatverdächtigen, einem 16- und einem 18-jährigen Mann, beide afghanische Staatsbürger. Für Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und besonders auch FPÖ-Chef Herbert Kickl scheint der Fall aber schon geklärt zu sein: „Es ist untragbar, dass Menschen in unser Land kommen, angeben, dass sie Schutz suchen & und dann grausame Verbrechen begehen“, so der Kanzler auf Twitter: „Ich verspreche, dass wir alles tun werden, damit die Täter mit der vollen Härte des Gesetzes betraft werden. Mit mir wird es keinen Stopp der Abschiebungen* und eine Aufweichung der Asylgesetze gegenüber straffälligen Asylwerbern niemals geben!“ Kickl reichte ein 10-Punkte Programm nach, das von „Aussetzen der Asylanträge auf österreichischem Boden“ bis „Keine Staatsbürgerschaft für Asylberechtigte“ reicht. Auch Teile der Linken versuchten, eine gewisse Härte zu demonstrieren. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner unterstützt Abschiebungen nach Afghanistan. Grüne waren zuletzt dagegen.

Politik ist hier Getriebene einer Stimmung, die sie selbst befeuert hat: Würden sie auch nur anmerken, dass die Unschuldsvermutung immer gilt, dass Strafen nicht sie selbst, sondern die unabhängige Justiz verhängt oder dass man gerade aktuell der Frage nachgehen muss, wie es denn sein konnte, dass dem 18-jährigen Tatverdächtigen laut „Heute“ nach elf polizeilichen Anzeigen und drei Verurteilungen der subsidiäre Schutz aberkannt wurde, das Bundesverwaltungsgericht offenbar aber bis heute nicht über eine Beschwerde dagegen geurteilt hat, die 2019 ihren Anfang genommen hat – wenn besonders Blaue und Türkise solche Aspekte auch nur erwähnen würden, müssten sie mit Stimmenverlusten rechnen; und das tun sie nicht, weil es ihrem Geschäftsmodell widersprechen würde.

Seit Jahren demonstrieren Kurz und Kickl Kompromisslosigkeit, wenn es um Flucht und Migration geht, erklären, keine Gnade gegenüber Menschen zu zeigen, die ein Gast- oder Schutzrecht missbrauchen würden. Das Problem: Sie beschränken sich darauf und setzen eher nur symbolische Maßnehmen bzw. gerne auch Signale der Bösartigkeit, wie Kickl bei den „Ausreisezentren“.

Wenn es ihnen um die Sache gehen würde, würden sie anders agieren: Sie würden sich für eine gründliche Überarbeitung der Asylgesetze stark machen. Grund: Durch dutzende Novellen, sie stets unter dem Titel „Verschärfungen“ liefern, ist die bestehende Fassung unbrauchbar geworden. Die Rechtsanwaltskammer hat im Rahmen einer Begutachtung einmal darauf hingewiesen, dass sie voller Widersprüche sei, was wiederum bedeutet, dass man vieles und durchaus auch das glatte Gegenteil davon herauslesen kann. Das macht es Behörden schwer bis unmöglich, „wasserdichte“ Entscheidungen zu treffen und ist auf der anderen Seite eine Ermunterung, dagegen vorzugehen, was Verfahren letzten Endes in die Länge zieht. Behauptung: Ordentliche Gesetze würden zu schnelleren und gerechteren Verfahren führen; beides wäre mehr wert als immer wieder nur zur Schau gestellte Härte.

Immer wieder kommt es zu Behördenversagen oder Vorgängen, bei denen man sich fragen muss, warum sie keine wahrnehmbaren Konsequenzen nach sich ziehen. Nehmen wir den Fall mit dem rechtskräftig verurteilte Mörder eines BH-Mitarbeiters in Dornbirn vor zwei Jahren: Der Türke war einst mit einem Aufenthaltsverbot belegt worden, später jedoch nach einer Zeit in Syrien, wo er eigenen Angaben zufolge Söldner war und zwei türkische Soldaten tötete, zurück nach Österreich gekommen; hier wurde nicht nur ein Asylverfahren eingeleitet, er wurde auch nach Vorarlberg geschickt, wo es in der Vergangenheit die großen Probleme mit ihm gegeben hatte, die zum erwähnten Aufenthaltsverbot führten.

Nicht um Asyl, aber auch um ein Behördenversagen ging es im Zusammenhang mit dem Terroranschlag im vergangenen November in Wien: Zum Schützen hatte es bekanntlich Warnungen aus der Slowakei gegeben; sie wurden vom Verfassungsdienst ignoriert.

Der Rechnungshof hat in einem Bericht vom November 2019 „Informationslücken bei straffälligen Fremden“ sogar ausdrücklich bestätigt: Die Justizanstalt Josefstadt in Wien informiere das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl „nicht durchgängig vor Spontanentlassungen“, wie es ihre Pflicht wäre.

Politisch thematisiert werden solche Missstände nicht. Das wäre ein Eingeständnis, das auch auf politische Verantwortung hinweisen würde – die unabhängig von der Verantwortung zu sehen ist, zu der Verbrecher allein und in jedem Fall gezogen werden müssen. Hier geht es darum, Wahrscheinlichkeiten zu minimieren, dass immer wieder Grausames passieren kann.

* Im vergangenen Jahr verließen laut Statistik Austria 1335 afghanische Staatsangehörige Österreich. 49 wurden laut einer Anfragebeantwortung des Innenministers abgeschoben, weitere 31 im Rahmen eines „Dublin-Verfahrens“ in ein anderes europäisches Land überstellt.

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