Rendi-Wagner schläft

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ANALYSE. Mit antieuropäischen Tönen hätte Bundeskanzler Kurz der SPÖ-Vorsitzenden eine große Profilierungsmöglichkeit geboten. Allein: Sie hat sie nicht genützt.

Wenn Politiker etwas mitteilen wollen, lassen sie in der Regel noch immer eine Aussendung machen, die im Originaltextservice der Austria Presseagentur veröffentlicht wird. Von SPÖ-Chef Pamela Rendi-Wagner ist da in den vergangenen Tagen nicht viel gekommen. Zum EU-Wahlkampf ließ sie am 9. Mai wissen, dass es wichtig sei, „die richtige Entscheidung zu treffen: Denn wenn wir sie nicht treffen, werden die Rechten entscheiden und das Europa zerstören, das uns stark gemacht hat“.

Diese Zeilen muss man insofern vorausschicken, als Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz am 12. Mai den EU-Wahlkampf seiner Partei übernommen und in eine antieuropäische Richtung gedreht hat. Und zwar mit der Klage über eine angebliche Bevormundung durch Brüssel sowie einen Regulierungswahnsinn, der dort herrsche. Schnitzel und Pommes betreffend inklusive (wobei er ganz offensichtlich einem Aprilscherz der Tageszeitung „Die Presse“ aufgesessen ist, wie diese schreibt).

Leichtfried ist nicht Parteivorsitzender. Und Schieder genauso wenig.

Das war eine entscheidende Wende in diesem Wahlkampf, die ganz nach dem Geschmack der Sozialdemokratie sein könnte. Jörg Leichtfried hat aus ihren Reihen reagiert und festgestellt, dass ÖVP und FPÖ nicht mehr unterscheidbar seien. Bloß: Leichtfried ist nicht Parteivorsitzender. Genauso wenig wie Spitzenkandidat Andreas Schieder, der als selbsternannter Feuerlöscher durch die Lande zieht, aber kaum wahrgenommen wird (siehe Analyse dazu).

Ist es politisches Unvermögen? Ist es Unsicherheit?

Der Punkt ist: Was Kurz am 12. Mai, dem Muttertag, lieferte, war eine derartige Zäsur einerseits und Gelegenheit für die SPÖ andererseits, sich als proeuropäischer Gegenpol zu profilieren, dass es an parteischädigender Verhalten grenzt, dass Rendi-Wagner nicht klar und deutlich das Wort ergriffen hat. Ja, das Wort: Wenn sich Schwarz-Blau auf Wähler fokussiert, die der EU kritisch bis ablehnend gegenüberstehen, ist das de facto eine Einladung an die SPÖ, allen anderen ein Angebot zu machen, das weder zu übersehen noch zu überhören ist. Sprich: So wie Kurz den ÖVP-Wahlkampf übernommen hat, hätte Rendi-Wagner den SPÖ-Wahlkampf übernehmen müssen.

Sie hat es nicht getan. Ist es politisches Unvermögen? Ist es Unsicherheit? Möglich: Die SPÖ ist laut SORA bei der EU-Wahl 2014 nicht nur bei denen Nummer zwei gewesen, die die EU-Mitgliedschaft als gute Sache betrachten, sondern auch bei denen, die eine schlechte Sache darin sehen. Da verliert man automaisch ein paar, wenn man sich klar deklariert. Andererseits: Wenn die einen ohnehin von ÖVP und FPÖ umworben werden, wäre bei den anderen umso mehr zu holen. Theoretisch. Praktisch erkennen das eher Neos und Grüne als die SPÖ.

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