Peinlicher Stolz

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ANALYSE. Ja, Österreich wendet sehr viel Geld zur Bewältigung der Coronakrise auf. Wirtschaftlich ist es aber auch groß abgestürzt.

Ein bisschen ist es wie bei einer Feuerwehr, die stolz darauf ist, bei Einsätzen das meiste Wasser weit und breit verbraucht zu haben. Das muss nicht für sie sprechen. Es kann auch damit zu tun haben, dass sie verschwenderisch gewesen ist oder es einfach nur einen außergewöhnlich großen Brand gegeben hat.

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) hat bereits im vergangenen Sommer stolz erklärt, dass Österreich zu den „Top-Ländern“ beim „Wiederaufbau“ zähle. Blümel bezog sich in einer Aussendung auf eine nicht näher ausgeführte Studie und belegte dies selbst mit den Milliarden, die für diverse Stützungsmaßnehmen angekündigt wurden. Jetzt hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in einem Ö1-Morgenjournal nachgelegt: „Was die Wirtschaftshilfen betrifft, liegen wir auf Platz eins in der Europäischen Union.“

Stolz drauf? Sagen wir so: Es ist gut, wenn Österreich so viel Geld wie nötig aufwenden kann, um die Krise zu bewältigen. Offen ist, wie wirkungsvoll es eingesetzt ist. Vor allem aber: Kaum ein europäisches Land hat so großen Bedarf wie Österreich; kaum eines stürzt nämlich so tief ab.

Das unterstreicht die jüngste Prognose der Europäischen Kommission: Hierzulande ist die Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr um 7,4 Prozent eingebrochen. In allen EU-Mitgliedsländern zusammen handelte es sich „nur“ um 6,3 Prozent. Bei wichtigen Partnern Österreichs war es zum Teil deutlich weniger, zum Teil mehr – bei Deutschland fünf, bei Tschechien 5,7 und bei Italien 8,8 Prozent.

Heuer werden alle Genannten ein größeres Wachstum haben als Österreich, das sich mit voraussichtlich zwei Prozent begnügen muss. Für die gesamte EU werden 3,7 Prozent erwartet, für Deutschland, Tschechien und Italien 3,2 bis 3,4 Prozent. Erst im kommenden Jahr könnte die Wirtschaftsleistung Österreichs stärker anziehen. Allerdings: Selbst mit einem Plus von 5,1 Prozent würde das BIP dann noch immer unter dem Vorkrisenniveau von 2019 liegen.

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