Warum Ludwig blau macht

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ANALYSE. Der Wiener Bürgermeister erteilt einer „autofreien City“ eine Absage. Er kann gewinnbare Freiheitliche schwer rechts liegen und der ÖVP überlassen.

Zur „autofreien City“ könnte man sehr viel schreiben: Zumal Beispiel, dass dieses Projekt, das der grünen Wiener Vizebürgermeisterin Birgit Hebein vor dem Sommer bzw. der Gemeinderatswahl im Oktober eingefallen ist, eine ganz grundsätzliche Schwäche hatte. Konkret: Die City kann nicht autofrei werden – und sollte es in Wirklichkeit ja auch gar nicht werden. In keinem anderen Bezirk gibt es gemessen an der Bevölkerung so viele Autobesitzer und (Tief-)Garagenplätze. Erstere sollten weiterhin zu- und abfahren können; und was die Garagen betrifft, so sollten sie überhaupt allen Autolenkern weiterhin offenstehen.

Die „autofreie City“ als bloßen PR-Schmäh abzutun, würde jedoch zu weit gehen. Für die Grünen war es ein wichtiges Symbol zusätzlich zu den Begegnungszonen, Radwegen und Bäumen, die sie in ganz Wien ausbauen bzw. aufstellen lassen.

Der SPÖ geht das zu weit. Bürgermeister Michael Ludwig erteilt Hebeins Herzensprojekt zehn Tage vor der Gemeinderatswahl eine Absage. Auch das ist Symbolpolitik: Wenn sich automäßig ohnehin kaum etwas geändert hätte für die Innenstadt, hätte er das ruhig zulassen können.

Ludwig geht es jedoch um etwas ganz anderes: Im Hinblick auf die Gemeinderatswahl treten blaue und türkise Politiker aus nachvollziehbaren Gründen als Autofahrerlobby auf. Ihre Zielgruppe sind nicht so sehr Radfahrer und Fußgänger in zentrumsnahen Gegenden, sondern viel eher Bewohner der Flächenbezirke, die selbstverständlich einen eigenen PKW in der Garage oder auf der Straße stehen haben.

SPÖ-Chef Ludwig können diese Leute nicht egal sein. Selbst in einem solchen Flächenbezirk lebend (Floridsdorf), hat er sie immer schon direkter umworben als sein Vorgänger Michael Häupl. Beispiel „Wien-Bonus“: Wer schon länger in der Stadt lebt, soll bevorzugt werden, Zuwanderer sollen sich hinten anstellen. Das ist etwas, was auch rechts der Mitte ganz gut ankommt.

Doch bleiben wir bei den leidenschaftlichen Autofahrern bzw. den FPÖ-Wählern darunter, denen jeder Radweg und jede Begegnungszone, ja jede Schwelle zur Verkehrsberuhigung eine Provokation ist: Eine zentrale Rolle bei dieser Wahl werden enttäuschte Freiheitliche spielen. Umfragen zufolge könnten sich gegenüber 2015 mehr als 150.000 von den Blauen abwenden.

Die ÖVP bemüht sich offen um sie und könnte nicht zuletzt mit ihrer Hilfe ihren Stimmenanteil gut und gerne auf rund 20 Prozent verdoppeln. Das Werben ist offensichtlich und zeigt sich in türkiser Flüchtlings-, Migration- und Integrationspolitik am deutlichsten. Da spielt Ludwig nicht mit. Es kann aber nicht nichts tun.

Vor allem weil die FPÖ in der Vergangenheit eine ernsthafte Mitbewerberin der SPÖ gewesen ist. Das zeigt etwa ein Blick in die Wählerstromanalyse, die das Sozialforschungsinstitut SORA zur Gemeinderatswahl 2015 erstellt hat. Die SPÖ hat damals mit 33.000 zweimal mehr Stimmen an die Freiheitlichen verloren als an Grüne (7000), ÖVP und Neos (jeweils 4000) zusammen. Geholt hat sie parallel dazu nur 12.000 Stimmen – was unterm Strich ganz wesentlich zu ihrem Gesamtverlust führte. Sprich: Will sie diesmal gewinnen, muss sie Blaue zurückholen.

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