Van der Bellen sucht das Duell

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ANALYSE. Im Lichte des Ukraine-Krieges geht es in der Auseinandersetzung mit einem Freiheitlichen oder einer Freiheitlichen um noch viel Wesentlicheres als vor sechs Jahren.

Österreich brauche jetzt „Erfahrung, Ruhe, Unabhängigkeit“ – und das könne er bieten, sagt Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Hinblick auf seine Wiederkandidatur im Herbst. Oder: Die Zeiten würden herausfordernd bleiben – „Nationalisten greifen nach der Macht, wenn wir es zulassen.“

Der 78-Jährige steckt bereits voll im Wahlkampf. Pressekonferenz, Auftritt in der ZIB2 etc. Mit Inhalt: Man kann sich fast schon fragen, was er noch liefern möchte. In den nächsten Wochen dürfte es zwar wieder ruhiger werden. Das erste Kapitel der Kampagne ist jedoch erledigt: Van der Bellen hat sich empfohlen. Viel mehr als die eingangs erwähnten Begriffe, die zum Ausdruck bringen sollen, was ihn auszeichne, ist dazu nicht nötig. Er ist bekannt und mit Regierungsbildungen wie -umbildungen sowie Krisen bisher so umgegangen, dass ihm seit geraumer Zeit sehr konstant an die 70 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher vertrauen (Quelle: APA/OGM/Vertrauensindex). Das ist sein (maximales) Potenzial.

Bemerkenswert ist, dass er gleich auch die Warnung vor Nationalisten präsentierte. Darunter kann man sehr viel verstehen, Wladimir „Putin-Freunde“ (Van der Bellen), aber auch Freiheitliche mit Herbert Kickl an der Spitze, den er eigenen Angaben zufolge nicht mehr als Innenminister angeloben würde; und dessen Partei mit der des russischen Präsidenten sogar eine Partnerschaft pflegte – inklusive dem erklärten Ziel der „Erziehung der jungen Generation im Geiste von Patriotismus und Arbeitsfreude“.

Das wird denn auch die zentrale Auseinandersetzung bis zum Wahltag. Es läuft auf eine Polarisierung hinaus, die beiden nur nützen kann. Wie 2016: Van der Bellen half es damals, den freiheitlichen Kandidaten Norbert Hofer zum Mitbewerber zu haben. Wer diesen ablehnte, musste ihn wählen. Und umgekehrt. Im Lichte des russischen Angriffes auf die Ukraine, ja auf freie Demokratien, erhält das Duell Van der Bellen vs. einen freiheitlichen Kandidaten, eine freiheitliche Kandidatin sogar eine noch viel wesentlichere Bedeutung als vor sechs Jahren; da geht es um Bekenntnisse für oder gegen Fundamentaleres.

Der Bundespräsident wünscht sich trotzdem, dass der Wahlkampf kurz wird und allenfalls nur vier bis sechs Wochen dauert. In Wirklichkeit steckt er schon mittendrin. Im Übrigen ist die beste Wahlwerbung, die er hat, einfach nur als Staatsoberhaupt auftreten und eine Rede zu einer Krise halten zu können – auch wenn das nicht als Wahlwerbung ausgeschildert ist.

Natürlich wünscht sich niemand einen Endloswahlkampf und wird auf Bundes-, Länder- und Gemeindeebene gefühlt immer irgendwo wahlkgekämpft. Es lässt jedoch tief blicken, wie verpönt Wahlkämpfe eigentlich sind. Da ist etwas kaputt im System, müssten sie doch zum Normalsten überhaupt gehören in einer Demokratie.

Dieses Problem kommt auch in den Reaktionen auf die Forderung des burgenländischen Landeshauptmannes Hans-Peter Doskozil (SPÖ) zum Ausdruck, Wahlplakate zu verbieten. Es gibt Leute, die es toll finden würden, wenn die Gegend nicht mehr zugepflastert wäre damit. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass Parteien in Österreich über so viel Geld verfügen, dass sie es schon einmal übertreiben können; und damit, dass oft halt gar so keine Botschaft auf einem Plakat steht.

Auf der anderen Seite gibt es verdammt gute Gründe gegen ein solches Verbot: Parteien und ihre Kandidaten müssen öffentlich wahrnehmbar sein können. Gerade von der Landesebene abwärts und ohne Medienvielfalt ist das gar nicht so einfach. Grundsätzlich leicht haben es dort nur Regierende, die durch ihr Amt so oder so omnipräsent sind. Ihnen würde durch ein Verbot ein großer Wettbewerbsvorteil zuteilwerden bzw. Oppositionellen ein ebensolcher Nachteil.

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