Türkis-Grün: Letzte Runde

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ANALYSE. In Österreich findet fast immer irgendwo ein Wahlkampf statt, richtet sich auch die Bundespolitik danach aus. Für die Koalition öffnet sich daher schon jetzt ein finales Zeitfenster für Notwendiges.

In den vergangenen Wochen wurden Entscheidungen der Bundesregierung zur Corona-Bekämpfung auch dadurch beeinflusst, was in Oberösterreich wie ankommt. Das ist nachvollziehbar, aber nicht unproblematisch: Was im Sinne der wahlwerbenden Parteien gewesen sein mag, muss nicht deckungsgleich sein mit dem, was für das ganze Land gut ist. Es kann dem sogar widersprechen.

Deutlich wird das auch bei anderen Fragen: ÖVP und Grüne hielten sich in den vergangenen Wochen mit Fragen zu Klimaschutz und ökosozialer Steuerreform zurück. Sie versuchten eher nur zu beruhigen, dass es für allfällige Belastungen einen Ausgleich geben werde. Am Ende könnte sich das rächen: Bei einer Masse ist das Bewusstsein dafür, dass Emissionen jetzt aber wirklich teurer werden sollten, noch immer nicht besonders ausgeprägt. Umso größer könnten die Proteste werden, wenn die Preise aufgrund einer sogenannten Bepreisung dann doch spürbar steigen sollten. Grund: Es fehlen kommunikative Begleitmaßnahmen, die darauf vorbereiten.

Vernachlässigt wurden zuletzt auch Reformen zur langfristigen Sicherung von Pflege- und Pensionssystemen. Genauer: Vorbei am zuständigen Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne) haben Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) wenige Tage vor der oö. Landtagswahl eine Pensionserhöhung für das kommende Jahr angekündigt, die über den gesetzlich vorgesehenen Rahmen hinausgeht. Das war ein klassisches Wahlzuckerl. Wobei man selbst dann kritisch sein sollte, wenn man es gut findet: Die Finanzierung haben die beiden offengelassen. Ja, in Verbindung mit Steuersenkungsversprechen könnte eher sogar die Befürchtung aufkommen, dass hier ein Crashkurs verfolgt wird: Ausgaben werden erhöht, Einnahmen sollen gesenkt werden.

Das eine oder andere wäre ohne Wahl in Oberösterreich mit Sicherheit anders gelaufen. Ein solcher Urnengang lähmt notwendige Politik, reduziert sie auf Populäres. Umso verhängnisvoller ist, dass fast immer irgendwo gewählt wird. Die Lösung wäre ebenso schlicht wie zumutbar: Es gibt alle paar Jahre einen Super-Wahltag, an dem Gemeinderäte, Landtage, Nationalrat und am besten auch noch der Bundespräsident gewählt werden. Die Wahlberechtigten würden das zusammenbringen. Sie können unterscheiden, werden eher nur unterschätzt. Und zwar von Parteien, die keine Zusammenlegung wollen, um möglichst ungestört und kostspielig kampagnisieren und wahlwerben zu können.

Der gegenwärtige Zustand führt dazu, dass ÖVP und Grüne mit Kurz und Kogler an der Spitze de facto schon vor dem Ende ihrer derzeit laufenden Zusammenarbeit stehen. Nach nicht einmal zwei von fünf Jahren haben sie jetzt, nach der oö. Landtagswahl, ein Zeitfenster von maximal einem Jahr, in dem sie keine Rücksicht auf irgendwelche Urnengänge nehmen müssen. Und das auch nur unter der Voraussetzung, dass die ÖVP zur Bundespräsidenten-Wahl (erstens) keinen Gegenkandidaten zu Amtsinhaber Alexander Van der Bellen aufstellt und (zweitens) hinnimmt, dass die FPÖ mit Norbert Hofer in Ermangelung eines Mitte-Rechts-Konkurrenten Wähler in ebendiesem Segment einsammeln könnte. Sonst stehen 2022 nur kleinere Gemeinderatswahlen (u.a. in Tirol ohne Innsbruck sowie im Burgenland) auf dem Programm.

Gegen Ende des kommenden Jahres schließt sich dieses Zeitfenster in jedem Fall wieder, läuft zuerst doch der niederösterreichische, dann der Tiroler, der Kärntner und der Salzburger Landtagswahlkampf an, ist die Bundespolitik also blockiert, ehe sie sich selbst überhaupt am wichtigsten wird: Spätestens 2024 findet die nächste Nationalratswahl statt.

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