ANALYSE. Warum sich das Jahr 2017 für die Grünen kaum wiederholen kann, ja Werner Kogler und Co. alles in allem doch sehr zuversichtlich bleiben können.
Lena Schilling, war da was? Im politischen Betrieb kommt es gefühlt immer öfter vor, dass Geschichten schnell aufziehen, raumfüllend werden – und wieder weg sind. Warum ist das im konkreten Fall so? Vielleicht, weil eine Auseinandersetzung darüber, was politisch relevant ist, dadurch erschwert war, dass zu viele verschiedene Inhalte vorlagen, auch solche, die vielleicht unterhaltsam, aber belanglos waren.
Wie die 23-Jährige die Grünen einmal gehasst hat: Mein Gott. Derlei hat eher nur Schwerwiegendes vergessen lassen. Wie jenes, dass sie einem Journalisten durch falsche Anschuldigungen Schwierigkeiten mit seinem Arbeitgeber bereitet hat. Und: Es hat ihr in Summe vielleicht nicht groß geschadet, sondern geholfen.
Es ist doch so: 2024 ist erheblicher Zuspruch möglich, wenn man nicht als Politiker gesehen wird und glaubhaft machen kann, Distanz zu klassischen Parteien zu haben. Außerdem könnten Unklarheiten in Bezug auf die politische Relevanz der Vorwürfe eben sogar zu einem Solidarisierungseffekt führen.
Nicht, dass die Grünen mit Schilling jetzt größer gewinnen werden bei der Europawahl am 9. Juni. Sie müssen sich auf Verluste einstellen. Diese Verluste könnten jedoch in Grenzen bleiben. In Umfragen hält die Partei jedenfalls noch immer um die zehn Prozent.
Gegen Schlimmeres für sie spricht vieles. Dass sich Thomas Waitz, Nummer zwei nach Schilling, plötzlich anbietet, die Delegationsleistung im Europäischen Parlament zu übernehmen, wirkt wie von einem genialen Parteistrategen erfunden: Sachlich mag es lächerlich erscheinen, wer der erste von zwei, drei unter über 700 Abgeordneten sein wird. Das Signal ist jedoch stark: Waitz steht für das, was sich nicht wenige Grünen-Wähler von vornherein erwartet haben: Klimaschutz und Erfahrung und Gewicht (er ist Co-Vorsitzender der Europäischen Grünen).
Bei der EU-Wahl haben die Grünen jetzt also zwei Angebote: Schilling für die einen; und Waitz für all jene, die sie bei Europawahlen schon eher nur wegen Voggenhuber oder Lunacek unterstützt haben.
So könnte die Partei diesen Urnengang also überstehen und nicht hoffnungslos in die Nationalratswahl im September gehen müssen. Im Gegenteil: Ihr Glück bleibt, mehr denn je ein Monopol beim Thema Klimaschutz zu haben.
Zwar geht die Bereitschaft zum Klimaschutz in einer krisenmüden Gesellschaft zurück. Das führt aber auch dazu, dass die ÖVP nichts mehr von entsprechenden Maßnahmen wissen will. Siehe Versiegelungsgrenzen, siehe Renaturierung. Im Übrigen trägt es dazu bei, dass hier auch Sozialdemokraten wenig glaubwürdig agieren.
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ist mit dem Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) zwar plötzlich für eine EU-Renaturierungsverordnung, behauptet aber, eine bestehende Vereinbarung der Länder dagegen nicht auflösen zu können. Was ein schwaches Argument ist: Es steht nirgends, wie solche Vereinbarungen zustandekommen müssen bzw. dass sie nicht zurückgenommen werden könnten. Umso mehr könnte er in der Sache ernstmachen, anstatt ausschließlich die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler aufzufordern, auf die Haltung der ÖVP zu pfeifen und der Verordnung in Brüssel zuzustimmen: Warum scheut er die harte Auseinandersetzung mit türkisen Landesfürsten?
Mit dem allgemeinen Rückgang der Bereitschaft für Klimaschutz und dem damit einhergehenden Rückzug anderer Parteien beim Thema geht also ein potenzieller Gewinn für die Grünen einher: Sie zählen zu den letzten, die noch dafür stehen. Das bringt dem Klima wenig, ist für sie aber eine Chance.