Nichts zu befürchten

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ANALYSE. Wer Remigration sagen darf, kann auch einen Rechtsextremen begrüßen: Warum Freiheitliche keinen Genierer (mehr) haben.

In Deutschland ist eine Regierungsbeteiligung der AfD auf Bundesebene noch immer undenkbar. Das muss man sich vor Augen halten. Zumal sie nach österreichischen Maßstäben nicht einmal so extrem ist: Mit ihrem Abgeordneten Matthias Helferich tut sie sich schwer. Er hat sich selbst schon einmal als „freundliches Gesicht des Nationalsozialismus“ bezeichnet. Österreichische Freiheitliche tun sich hingegen nicht nur nicht schwer mit ihm, Aldania, quasi die Hausburschenschaft der FPÖ Wien, lädt ihn laut einem ORF-Bericht als Festredner.

Selbstverständlich muss an dieser Stelle betont werden, dass das vielen Menschen hierzulande übel aufstößt. Alles in allem bleibt jedoch dies: Es gibt nicht irgendwelche Kreise, die von Helferich dermaßen angetan sind, dass sie ihn bei sich haben wollen. Es handelt sich vor allem auch um Vertreter einer Partei, die drauf und dran ist, auf Bundesebene klare Nummer eins zu werden.

Das sagt was: Politiker wie Dominik Nepp, seines Zeichens FPÖ-Wien-Chef und Aldania-Mitglied, befürchten nicht, sich hier zu schaden. Ja, man kann sogar davon ausgehen, dass auch Bundesparteiobmann Herbert Kickl wenig bis nichts daran auszusetzen hat. Nicht nur die Tatsache, dass er öffentlich schweigt, lässt darauf schließen. Es ist so vieles andere mehr: Im Unterschied zur AfD selbst oder auch zu französischen und italienischen Rechten von Marine Le Pen und Giorgia Meloni kann er mit offenem Rechtsextremismus leben.

Das hat zuletzt das Beispiel Maximilian Krah gezeigt. Der AfD-Spitzenkandidat bei der EU-Wahl hat erklärt, er werde „nie sagen, dass jeder der eine SS-Uniform trug, automatisch ein Verbrecher war“. Kickl stört das nicht. Die AfD erteilte Krah ein Auftrittsverbot, Le Pen und Meloni gehen trotzdem auf Sicherheitsabstand zur AfD insgesamt. Kick denkt nicht daran.

Das hat einen Grund: In Österreich herrscht ein großzügiger Umgang mit extrem rechtem Gedankengut. Kaum wo kann es sich so gut entfalten. „Remigration“ beispielsweise hat von Kickl und Seinesgleichen zu einem Begriff gemacht werden können, der zwar nicht akzeptiert, aber geduldet wird.

Schlimmer: In der Politik insgesamt gibt es eine relative Mehrheit, die entweder dafür oder nicht klar dagegen ist. Dafür sind Freiheitliche, nicht klar dagegen Türkise. Die FPÖ ist und bleibt für sie eine mögliche Koalitionspartnerin. ÖVP-Chef, Kanzler Karl Nehammer schließt noch immer nur ein Bündnis mit der Person Kickl aus, nicht aber mit dessen Partei, zu der eben auch deutschnationale Aldania-Typen wie Nepp gehören.

„Zuerst sind die Wähler am Wort, erst dann kommt der Schritt zu analysieren, welche Mehrheiten gehen sich überhaupt aus und dann kommen die Koalitionsverhandlungen“, lautet Nehammers Formel, zuletzt wiedergegeben in der „Krone“, wo er im Übrigen bemüht war, Äquidistanz gegenüber FPÖ und SPÖ zu wahren.

Der Punkt ist: Freiheitliche wissen, dass sie sich alles leisten können. Sie sind dabei stärkste zu werden. Und sie haben schon erlebt, wie etwa in Niederösterreich Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) infolge der Liederbuchaffäre ein Bündnis mit Udo Landbauer (FPÖ) ausgeschlossen, ihn fünf Jahre später aber zum Regierungspartner gemacht hat. Signal: Letzten Endes geht’s schon.

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