Problemwahl

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ANALYSE. Dass die Bundespräsidenten-Wahl nur eine Abstimmung über den Verbleib des Amtsinhabers werden könnte, macht den Freiheitlichen zu schaffen. Auf der Strecke drohen aber auch überfällige Auseinandersetzungen über Zukunftsfragen zu bleiben.

Es heißt zwar in jedem Wahlkampf, dass Inhalte zu kurz kommen würden, rückblickend gab es im Präsidentschaftswahlkampf 2016 aber schon einiges, was letzten Endes sogar entscheidend gewesen sein dürfte. Norbert Hofers (vorübergehendes) Spiel mit einem EU-Austritt etwa. Oder sein Hinweis, dass man sich noch wundern werde, was ein Staatsoberhaupt alles könne. Das hat zu einer Art (Real-)Verfassungsunterricht geführt – mit der Erkenntnis, dass man dieses Amt und die Möglichkeiten, die damit einhergehen, nicht unterschätzen sollte.

Für 2022 zeichnet sich Vergleichbares nicht ab. Sehr viel spricht dafür, dass es nur eine Abstimmung darüber geben wird, dass Alexander Van der Bellen im Amt bleiben soll. Ja, „dass“; die Frage ist lediglich, wie groß die Mehrheit für ihn sein wird. Das mag eine problematische Darstellung sein, wird es doch weitere Kandidaten, formal also eine Wahl geben. Aber: Es ist nicht davon auszugehen, dass es zu Diskussionsrunden mit allen kommen wird. Van der Bellen könnte sich rar machen oder überhaupt an keiner teilnehmen. Übrig bleiben würde ein Wettbewerb vermeintlich Aussichtsloser, vom Arzt, Musiker und Kabarettisten Dominik Wlazny („Marco Pogo“, Bierpartei) über Ex-BZÖ-Generalsekretär Gerald Grosz, der bei Wolfgang Fellners oe24.tv gerne gesehen ist, bis hin zu einer FPÖ-Vertreterin, einem FPÖ-Vertreter (Herbert Kickl hat definitiv abgesagt, am höchsten im Kurs steht nach wie vor die Abgeordnete Susanne Fürst).

Bei den Freiheitlichen trübt diese Ausgangslage zunehmend die Vorfreude auf die Wahl. Von der Papierform her schien es auf einen fixen De-facto-Sieg hinauszulaufen. Gegen Van der Bellen ist man zwar chancenlos, 20 bis 30 Prozent schienen aber allemal möglich zu sein. Bloß: Wenn es keine direkte Konfrontation mit Van der Bellen gibt und wenn man sonst keine Mitbewerber hat, über die man sich selbst profilieren kann, wird das gar nicht so einfach – könnte es auch darauf hinauslaufen, dass eher Van der Bellen-Unterstützer zur Wahl gehen und unter anderem auch für die Freiheitlichen weniger Stimmen übrig bleiben als erwartet, also eine echte Niederlage im Bereich des Möglichen ist.

Wirklich gefallen könnte all das ÖVP und SPÖ: Die beiden größeren Parteien werden keinen Kandidaten aufstellen, ihren Wählern also kein Angebot machen. Diese müssen vielmehr fremdgehen. Tun sie das im Rahmen einer gefühlten Abstimmung überwiegend zugunsten von Alexander Van der Bellen, kann es Roten wie Türkisen egal sein. Zugunsten eines freiheitlichen Angebots wäre das schon schmerzlicher – auch im Hinblick auf weitere Urnengänge, sei es den baldigen Landtagswahlen in Niederösterreich, Salzburg, Tirol und Kärnten oder der Nationalratswahl, die spätestens 2024 stattfinden wird.

Demokratiepolitisch bleibt das ein Problem: Es handelt sich um eine Wahl, die eine Abstimmung ist, aber halt als Wahl durchgeführt wird und in der es keine ernsthafte Auseinandersetzung zwischen allen ernstzunehmenden Kandidaten gibt. Gerade jetzt hätte Österreich eine solche nötig: Zumal es auch um den Oberbefehlshaber über das Bundesheer geht, wäre wenigstens das eine Gelegenheit, eine Sicherheits- und Neutralitätsdebatte zu führen. Ober abgesehen davon über grundsätzliche Fragen wie den sozialen Zusammenhalt in Zeiten der Krise zu streiten. Sonst ist das ja tabu oder wird es einfach unterlassenen.

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