ANALYSE. Noch nicht einmal beschlossen, möchte der Innenminister die Messenger-Überwachung schon ausweiten: Das widerspricht dem Ziel von Stocker, Österreich sturmfest zu machen.
Bundeskanzler und ÖVP-Chef Christian Stocker hat sich vorgenommen, Österreich sturmfest zu machen. Genauer ausgeführt, was er damit meint, hat er nicht. Allgemein geht es darum, dafür zu sorgen, dass eines Tages nicht einer wie Herbert Kickl (FPÖ) hergehen und Macht missbrauchen kann. Also nicht einfach unliebsame Leute rauskicken und durch liebsame ersetzen kann. Unter anderem notwendig wären dafür jedoch höhere Standards bei Personalentscheidungen: Niemand hat etwas davon, dass im Regierungsprogramm nachzulesen ist, wie sich ÖVP, SPÖ und Neos Nominierungen für bestimmte Posten aufgeteilt haben. Relevant wären Hearings und dergleichen, bei denen sich Kandidatinnen und Kandidaten zumindest beweisen müssen.
Beim ORF-Publikumsrat haben es ÖVP und SPÖ zuletzt nicht einmal geschafft, dem gesetzlichen Erfordernis zu entsprechen, keine Parteifunktionäre zu nominieren. Das ist bitter. Beziehungsweise ein Fest für einen wie Kickl: Bei so niedrigen Standards kann er weit kommen, sofern er einmal Gelegenheit bekommt, einen Machtrausch auszuleben.
Ganz zu schweigen von der Vorarbeit, die Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) unfreiwillig, aber doch in seinem Sine zu leisten versucht: Die Messenger-Überwachung ist noch nicht einmal beschlossen. Eine Gesetzesvorlage, die vorsieht, sie mit Genehmigung eines Drei-Richter-Senates bei einem begründeten Verdacht auf einen geplanten Terroranschlag und unter Aufsicht eines Rechtsschutzbeauftragten zu ermöglichen, hat erst vor rund zwei Wochen den Ministerrat passiert. Jetzt liegt sie im Nationalrat, wo sie demnächst beschlossen werden soll.
Es handelt sich um eine sehr heikle Angelegenheit: Hier soll ja sozusagen vorsorglich zur Verhinderung einer schweren Tat überwacht werden. Das kann immer auch Leute zu Unrecht treffen. Hier werden aber auch technische Möglichkeiten für viel größere Überwachungen geschaffen. Da könnte man – wieder im Lichte der Tatsache, dass eines Tages ein Mann wie Kickl ans Ruder kommen könnte – umso mehr Zurückhaltung erwarten.
Doch was macht Innenminister Gerhard Karner? Mitte Juni sprach er von einem wichtigen Schritt, „man könnte sagen, einem Meilenstein in der Terrorabwehr“. Ja, man mache es „nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil es notwendig sei, die Gefährderüberwachung einzuführen, um Terrorismus und Extremismus zu bekämpfen.“
Wenige Tage später setzte er sich in ein Puls24-Studio und sprach sich dafür aus, die „Messenger-Überwachung“ auch im Bereich des Strafrechts anzuwenden. Er unterstützte damit eine Forderung, die die Präsidentin der Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Elena Haslinger, in der „Presse“ deponiert hat: Es spreche wenig dafür, die staatliche Spionagesoftware „auf die schweren Delikte einzuschränken“, meint sie: „Der Bedarf wäre vorhanden, sie relativ breit zum Einsatz zu bringen“, so Haslinger. Als Beispiel führt sie Suchtgiftkriminalität an.
Womit Überwachungsfantasien kaum noch Grenzen gesetzt wären.