Tanner verläuft sich

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ANALYSE. Die Verteidigungsministerin arbeitet an einer Reorganisation der Heeresführung – mehr denn je ohne wissen zu können, was erforderlich ist.

Nach Lektüre des Regierungsprogramms wäre die Sache für Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) klar: Von einer „zukunftsfähigen Struktur für das Bundesheer“ ist hier die Rede. Und von der „Berücksichtigung der Eintrittswahrscheinlichkeit von Bedrohungsszenarien“. Hand aufs Herz: Kann sie diese abschätzen? Von ihr selbst wird keine Antwort kommen, diese ist jedoch eindeutig: Nein. Europa und damit auch Österreich erleben eine Zeitenwende. Es ist offensichtlich, dass etwas zu Ende gegangen ist, aber offen, was kommt. Insbesondere sicherheits- und verteidigungspolitisch. Für Tanner müsste dies in Verbindung mit den grundsätzlichen Ausführungen im Regierungsprogramm bedeuten, eine Reorganisation des Bundesheeres zu stoppen, die sie vor etwa einem Jahr angehen ließ.

Die Tageszeitung „Der Standard“ berichtet von massiven Vorbehalten, die Thomas Starlinger, Adjutant des Bundespräsidenten und ehemaliger Verteidigungsminister (2019), in einem internen Schreiben formuliert habe. Demnach befürchtet er, dass aufgrund der geplanten Einsatzführung die militärische Landesverteidigung nichts weniger als „gefährdet“ wäre. Vorgesehen seien etwa Direktorate, die auf drei verschiedene Standorte aufgeteilt sind (Wien, Graz, Salzburg) und sich per Videokonferenzen abstimmen sollen. Das erscheint wirklich haarsträubend. Und auch wenn alles ganz anders und das letzte Wort unter Einbindung des Oberbefehlshabers, also des Bundespräsidenten, noch nicht gesprochen sein sollte, ist diese Reorganisation zum gegenwärtigen Zeitpunkt zweifelhaft.

Österreich betreibt eine Art Neutralitätspolitik auf Sicht. Es gibt Stimmen für eine Abkehr davon, eine parlamentarische Mehrheit hält aus unterschiedlichen Grünen jedoch fest daran (SPÖ, FPÖ, Grüne und Türkise nach kurzer Debatte). Wie hier ausgeführt, hat das Einfluss darauf, wie das Bundesheer aufgestellt sein muss.

Daneben sollte man nicht vergessen, dass Reorganisationen eine beliebte Methode sind, parteipolitisch motivierten Postenschacher zu betrieben bzw. gewisse Bereiche schlicht umzufärben. Nach unzähligen Berichten darüber, die auf Chatprotokollen, aber auch vollzogenen Rochaden basieren, wäre es das Mindeste, hier einen Schnitt vorzunehmen und glaubhaft zu machen, dass derlei beendet wird. Auch im Verteidigungsministerium: Anfang Jänner berichtete Ö1, dass man es dort scheinbar nicht erwarten konnte, Stellen auszuschreiben. Die Genehmigung von Arbeitsplatzbeschreibungen durch Werner Koglers Beamtenministerium sei noch ausständig gewesen.

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