Landesverrat: Na und?!

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ANALYSE. Causa Ott: Sicherheits- und Verteidigungspolitik wird schon zu lange nicht ernst genommen, Spionage geduldet. Wer soll hier also alarmiert sein.

„711 St 39/17d. Hinter dieser Aktenzahl verbirgt sich einer der mutmaßlich größten Spionage- und Politskandale in der Geschichte Österreichs. Alles dreht sich um eine Clique mutmaßlich korrupt gewordener Verfassungsschützer, die gegen Geld Geheimnisse aus den Eingeweiden der Republik verkauft haben sollen. Ihre Kunden waren Wirtschaftstreibende, heimische Politiker – und letztlich offenbar auch der russische Geheimdienst“, schreibt das Nachrichtenmagazin „profil“. Es ist einer von vielen Versuchen, deutlich zu machen, dass es in der Causa Ott nicht um irgendeine Affäre geht. Problem: Es kommt nicht an.

Der ÖVP-Abgeordnete Andreas Hanger sieht eine Verstrickung von FPÖ-Chef Herbert Kickl und wirft diesem „Landesverrat vor. Allein: Es führt zu kaum wahrnehmbaren Schlagzeilen.

Das sagt viel aus über die Verfasstheit der Republik: Fragen der Sicherheit, die über Banküberfälle, Hauseinbrüche und Straßenkriminalität hinausgehen, haben weder für die Politik noch für die Allgemeinheit einen auch nur halbwegs angemessenen Stellenwert. Die Führung über das Innen- und das Verteidigungsministerium dient (derzeit der ÖVP) eher nur dazu, eigene Leute zu versorgen und sich Macht zu sichern.

Wie soll unter diesen Umständen ein Bewusstsein für eine Causa Ott und vieles andere mehr entstehen; insbesondere auch für das, was der russische Präsident Wladimir Putin treibt und was das für die Österreich bedeuten könnte?

Die ÖVP – namentlich ihr damaliger Generalsekretär Karl Nehammer – hat die Hausdurchsuchung beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) vor sechs Jahren verteidigt: Das Vorgehen von Innenminister Kickl sei „selbstverständlich mit der neuen Volkspartei abgestimmt und akkordiert“ gewesen. Heute muss man mehr denn je befürchten, dass diese Aktion letzten Endes Putin gedient hat.

Sicherheits- und Verteidigungspolitik werden nicht einmal seit 2022 ernsthaft betrieben: Zu Jahresbeginn haben Heeresvertreter ein Lagebild präsentiert und davon gesprochen, dass man „kriegsfähig“ werden sollte. Klar: Politisch ist das unangenehm. Sich als Regierung nach wie vor aber eine offizielle Sicherheitsstrategie zu leisten, in der Russland gleichrangig mit den USA als „strategischer Partner“ der EU bezeichnet wird, ist eine Bankrotterklärung.

Zu hartnäckig hält sich im Übrigen eine falsche Auslegung von Neutralität: Mit allen gut auskommen und sich keine Feinde machen. Zu Putin auch Jahre nach dessen Übernahme der Krim lieb sein. Wien zu einer Insel der Seligen für Spione verkommen lassen. Spionage also dulden. Auch wenn sie für Diktaturen erfolgt und dazu dient, Regimegegner zu jagen.

Auf die im Neutralitätsgesetz enthaltene Pflicht, verteidigungsfähig zu sein, wurde fast 70 Jahre lang gepfiffen: Wie soll hier jemand alarmiert sein, wenn es heißt, es seien Geheimnisse aus den Eingeweiden der Republik nach Russland gegangen? „Welche Geheimnisse? Wir haben doch nichts zu verbergen!“

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