Wie Alaba in der Bezirksliga

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ANALYSE. Neben Blümel, Schramböck und Köstinger wird Martin Kocher kein einfacher Arbeitsminister sein. Ob er will oder nicht. Das ist gut für Österreich – und wird spannend für die türkise Truppe.

Zu Flüchtlingspolitik wollte sich der neue Arbeitsminister Montagabend im ZIB2-Interview nicht äußern. Er habe eh schon ein „sehr breites Feld“, so Martin Kocher, der anerkannte wie populäre Verhaltensökonom, bisherige Chef des Instituts für Höhe Studien (IHS), Präsident des Fiskalrates und Vorsitzende des Statistikrates der Statistik Austria: „Ich werde wahrscheinlich über Steuerpolitik sprechen, ich werde über Wirtschaftspolitik sprechen, über Arbeitsmarktpolitik, aber Flüchtlingspolitik ist nicht meine Expertise, da kenne ich mich auch nicht gut genug aus, um eine Antwort darauf zu geben.“

Die Erleichterung in der türkisen Message-Control-Abteilung über diese Aussage des 47-Jährigen dürfte nur begrenzt gewesen sein. Dass er sich aus der Flüchtlingspolitik raushält, ist erfreulich für sie; das ist sozusagen das Feld, um das sie sich mit Sebastian Kurz vor allem kümmern – und auf dem sie bisher auch immer die größte Ernte eingefahren haben. Alles andere aber muss für Finanzminister Gernot Blümel, Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck sowie Landwirtschafts- und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (alle ÖVP) bedrohlich wirken: Kocher will sich auch um ihre Themen kümmern. Er wird sie zumindest anfangs überstrahlen.

Kocher als Regierungsmitglied ist – jedenfalls von der inhaltlichen Kompetenz her – wie David Alaba in der Bezirksliga: Er ragt heraus. Ob er will oder nicht. Entweder meldet er sich selbst zu Wort (was er offenbar ohnehin vorhat); oder er wird zu entscheidenden Problemen an Stelle von Blümel, Schramböck oder Köstinger befragt.

Für Österreich ist das gut. In der Jahrhundertkrise kommt man nicht weit mit Leuten, die allenfalls wissen, wie Seilschaften funktionieren und dass sie im Übrigen nur eine dienende Rolle gegenüber Parteiinteressen und dem -vorsitzendem haben; im Gegenteil, Schramböcks „Kaufhaus Österreich“ ist ein Symbol dafür, wie viel man noch kaputt machen kann. Da braucht es zusätzlich zum Vermögen, Mehrheiten für bestimmte Anliegen zu gewinnen und zu halten, die Fähigkeit, inhaltliche Probleme zu erkennen und im Sinne einer möglichst großen Allgemeinheit zu lösen.

Zu Kochers herausragenden Fähigkeiten zählt es, komplexe Zusammenhänge in ihren Vielschichtigkeiten herauszuarbeiten und verständlich zu machen. Als Experte profitierte er auch davon, Vor- und Nachteile unterschiedlicher Lösungen plausibel darlegen zu können. Als Politiker wird er sich für eine Lösung entscheiden und sie bedingungslos nicht nur gegen Kritik. sondern auch gegen Anfeindungen vertreten müssen. Das ist das eine.

Das andere wird sein, mit den erwähnten Ministerkollegen zurechtzukommen. Kocher könnte um ein Vielfaches besser „Budget“ als Blümel. Das wissen beide, das wissen fast alle. Vielleicht wäre es sogar das Beste, Blümel würde sich ab sofort von Kocher an der Hand nehmen lassen. Das aber wird nicht nur das Ego des Türkisen nicht zulassen. Dass Kocher nicht gleich Finanzminister (oder Wirtschafts- und mehr noch Landwirtschafts- und Tourismusminister) geworden ist, hängt damit zusammen, dass es in diesen Ressorts in erster Linie darum geht, Parteipolitik zu machen; von Postenbesetzungen in staatsnahen Betrieben bis zur Betreuung der bäuerlichen Klientel.

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