Was Edtstadler schuldig bleibt

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ANALYSE. Die ÖVP behält die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft als Betroffene im Visier, vernachlässigt jedoch Maßnahmen zu Korruptionsbekämpfung. Damit tut sie sich selbst nichts Gutes.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) geht es nicht um türkise Abwehr in diversen Affären, wie sie in der ORF-Pressestunde am vergangenen Wochenende mit anderen Worten betonte: Während ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker (fast zeitgleich) in der „Tiroler Tageszeitung“ Kritik an der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) übte, forderte sie eine Stärkung von Beschuldigtenrechten sowie eine zeitliche Befristung von Ermittlungsverfahren. Es könne nicht sein, dass einzelne sieben, 13 oder gar 14 Jahre dauern. Maximal vier Jahre müssten genügen: „Alles andere ist ein Wahnsinn.“ Aus Laiensicht hat das was.

Politisch hat es vor allem aber auch einen Geschmack: Angefangen hat es mit der ÖVP-Kritik an der WKStA unter Sebastian Kurz. Medienberichten vom Februar 2020 zufolge bezeichnete er diese in einem Hintergrundgespräch gegenüber Journalisten als „Netzwerk roter Staatsanwälte“. Andreas Hanger, Vertreter der Partei in U-Ausschüssen, sprach im vergangenen Herbst wiederum von „linken Zellen“ – das war die Zeit, als Chat- Umfragen- und Inseratenaffären öffentlich wurden und vor allem auch bekannt wurde, dass nicht nur gegen prominente Vertreter der Partei, bis hinauf zu Kurz, ermittelt wird, sondern auch die Partei selbst als Beschuldigte geführt wird.

Da wird es schwierig für sie, zu trennen zwischen dem, was läuft und dem, was etwa Karoline Edtstadler fordert. Es ergibt eine Art Befangenheit. Umso bemerkenswerter ist, dass sie und ihresgleichen nicht mehr unternehmen, um dieser entgegenzuwirken und ihre Position, ja ihre Glaubwürdigkeit zu pflegen.

Drei Beispiele: In den Affären geht es auch um mutmaßliche Inseratenkorruption. Eine Antwort darauf kann nicht nur sein, abzuwarten, was herauskommt. Kurz-Nachfolger Karl Nehammer hat selbst vor bald einem Jahr angekündigt, für nachvollziehbare Inseratenvergaben zu sorgen. Bisher ist es nicht dazu gekommen, wie dieSubstanz.at hier in Form von extrem unterschiedlichen „Boulevardanteilen“ einzelner Ministerien dokumentierte. Willkür, die allerhand ermöglicht, wird vielmehr weiter praktiziert.

Eine Reform zur Parteienfinanzierung ist vor dem Sommer nicht dazu genützt worden, bekannte Umgehungskonstruktionen zu unterbinden. In Vorarlberg werden öffentliche Inserate in parteinahen Medien infolge der Wirtschaftsbundaffäre offenbar als Unding betrachtet; auf Landesebene ist das jedenfalls unterbunden worden. Auf Bundesebene und in den übrigen Bundesländern läuft es mehr oder weniger ungeniert weiter.

Wirklich vertrauensbildend wäre ein Staat, der möglichst transparent agiert. Dem steht jedoch das Amtsgeheimnis entgegen. Das fällt sogar direkt in den Zuständigkeitsbereich von Edtstadler: Echte Informationsfreiheit ist nicht in Sicht. Was allenfalls kommt, könnte eher auf einen faulen Kompromiss hinauslaufen, der so weitgehende Einschränkungen für Veröffentlichungsregelungen vorsieht, dass es – frei nach dem Verwaltungsrechtler Ewald Wiederin – sogar auf ein neues Amtsgeheimnis hinauslaufen könnte.

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